«Dolce Vita» in Istrien: von Kopien und Köstlichkeiten
- 10. Juli 2012
- 0 comments
- typo2wp
- Posted in Travel
Es war wohl wieder einer dieser Tage, an dem die Sonne endlos zu scheinen schien. Hoher Besuch hatte sich aus der Herrschaftsmetropole Venedig im kleinen Fischerdorf Rovinj an der Küste Istriens angesagt… Der Grund war ein Unglück, das Trauer und Bestürzung in der ganzen Welt ausgelöst hatte. War doch am 14. Juli 1902, am Vormittag kurz vor 10 Uhr, der Glockenturm des Markusdoms auf dem Markusplatz in Venedig eingestürzt. Das Städtchen Rovinj im heutigen Kroatien spielte eine entscheidende Rolle bei der Wiedererrichtung des Wahrzeichens der Lagunenstadt und hat nicht nur für Kunstliebhaber, sondern auch für Gourmets eine Menge zu bieten. Die istrische Halbinsel mit der charakteristischen in die Adria ragenden Spitze ist ein Geheimtipp für wertvolle Öle, ausgezeichnete Weine, seltenes Fleur de Sel, ökologisch produzierten Wolfsbarsch und für die raren Trüffel.
Von Rovinj nach Venedig
Was für eine Blamage. Erst stürzt das weltbekannte Wahrzeichen Venedigs ein. Der Grund war wohl der Einbau eines Aufzugs in den Glockenturm auf dem Markusplatz. Und dann fehlt auch noch von den Bauplänen des Campanile auf dem Markusplatz jede Spur. Zum Glück kam beim Einsturz des Gebäudes am helllichten Tage kein Mensch zu Schaden. Dennoch: Guter Rat war teuer in der damaligen Serenissima, der früheren Republik Venedig. Dabei kam dem malerischen Örtchen Rovinj in Istrien in dieser Situation zur Neuerrichtung des Turms plötzlich eine Schlüsselrolle zu. Denn der auf dem Stadthügel thronende Glockenturm in Istrien war eine exakte Kopie des weltbekannten Wahrzeichens venezianischer Herrschaft. Eine glückliche Fügung für die beauftragten Baumeister seinerzeit. Findig fertigten sie kurzerhand Pläne und Zeichnungen des weithin sichtbaren Turms in Rovinj an. Quasi eine Kopie der Kopie. Nur dadurch konnte der Wiederaufbau des Campanile in der Lagunenstadt starten bis der neue Turm 1912 in Venedig feierlich eingeweiht wurde. Von der engen Verbindung beider Orte können sich Besucher noch heute überzeugen, etwa bei einem Ausflug vom kroatischen Rovinj in die rund zwei Fährstunden entfernte italienische Metropole. Für das sprichwörtliche «Dolce Vita» und den kulinarischen Genuss auf Spitzenniveau hingegen muss man nicht in die Ferne schweifen, bietet Istrien doch eine Menge mediterranes Flair und eine weite Palette an hochwertigen regionalen Produkten für höchste kulinarische Ansprüche. Der grösste Teil des touristischen Geheimtipps gehört zu Kroatien, ein Teil des Nordens zu Slowenien und ein kleiner Landstrich zu Italien.
Kulinarische Höhenflüge
Und entsprechend mediterran ist die Atmosphäre, etwa in Rovinj. Kleine Gassen mit Kunsthandwerk und Galerien, einladende Cafés und ein opulenter Markt mit frischen regionalen Produkten. Die werden etwa auch im Restaurant Wine Vault im Boutique-Hotel Monte Mulini verarbeitet. Erst kürzlich adelte der renommierte Restaurantführer Gault Millau das Reich von Chefkoch Tomislav Gretic mit 16 Punkten. Ob frische Fische aus dem nahe gelegenen Lim-Fjord, würziger Rohschinken und natürlich auch die weissen und schwarzen Trüffel der «kroatischen Toskana»: Die mediterrane Küche des Chefkochs kann mit den regionalen Produkten der Halbinsel aus dem Vollen schöpfen und Essgenuss der Spitzenklasse präsentieren. «Diese Karte wollte ich schon vor 20 Jahren kochen, doch fehlte es mir an Wissen und Technik», sagt der Chefkoch im Mühlenberg, wie Monte Mulini ins Deutsche übersetzt heisst.
Aber auch Beauty-Fans und Weinliebhaber kommen dort auf ihre Kosten: Die Öle der Umgebung werden bei den Anwendungen im Spa des Hotels benutzt und die Weinkarte umfasst in etwa 600 kroatische und internationale Spitzenweine. Wie etwa die der Winzerei Matosevic im Landesinneren. Dort werden zwei Rebsorten verarbeitet, die nur in Istrien vorkommen. Malvasier aus einer weissen Traube und Teran aus einer roten heissen die über Jahrhunderte bekannten regionalen Weinspezialitäten, die Matosevic eine Vielzahl von Auszeichnungen eingebracht haben.
Ausgezeichnet sind auch andere in den Wäldern Istriens vorkommende Ingredienzien. Spitzenköche schwören auf sie als eine unerlässliche Zutat für Kreationen der Gourmetküche: schwarze und weisse Trüffel. Die unterirdisch wachsenden Knollen gehören zu den teuersten und kulinarisch wertvollsten Pilzen. Feinschmecker sollten sich deshalb im Herbst einen Termin für einen Besuch in Kroatien freihalten. Denn dann werden die edlen Knollen auf dem Tuberfest in Livade versteigert. Neben Frankreich und Italien ist Istrien eines der wichtigsten Verbreitungsgebiete für den Nusspilz. Das weiss auch Giancarlo Zigante. Er ist der unumstössliche «König der Trüffel» in Istrien und hat das auch verbrieft. Der 2. November 1999 stellte sein damaliges Leben komplett auf den Kopf. Bei einem Streifzug durch die Wälder fand er einen 1,310 Kilogramm schweren weissen Trüffel.
Das brachte ihm einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde. Der Start für sein heutiges Trüffel-Imperium nahe der Stadt Livade. Ob Trüffel-Öl, Trüffel-Pasten oder die pure Trüffel-Knolle: Giancarlo Zigante kann alles liefern. Denn mittlerweile umfasst sein Unternehmen mit rund 60 Angestellten sechs Geschäfte und ein ebenfalls mehrfach von Gault Millau ausgezeichnetes Restaurant. «Trüffel sind meine wahre Liebe, mein Leben, meine Leidenschaft», sagt der Trüffel-König von Istrien. Auch Besucher können ihr Glück bei speziellen Ausflügen selber herausfordern, bietet Zigante doch Trüffel-Such-Kurse an. Aber wer bei einem solchen Trip als Spürnase das wortwörtliche Trüffel-Schwein erwartet, wird enttäuscht sein. Heutzutage wird die Trüffel-Suche nämlich mit Hunden betrieben. Der Grund: Schweine richten beim Ausgraben oft grossen Schaden an den Wurzelspitzen an. Ausserdem wollen die Tiere die duftenden Knollen selber fressen und sind deshalb schwer zu zügeln. Die am weitesten verbreitete Art der Trüffel-Suche geschieht mit speziell abgerichteten Hunden. Übrigens: Den Trüffel, der Giancarlo Zigante in seiner Heimat viel Ruhm einbrachte, hat er nicht verkauft. Er wurde bei einem grossen Dorf-Fest mit den Nachbarn verspeist.
Handgewonnenes Salz
Um Zutaten für edles Speisen geht es auch im knapp eine Autostunde entfernten Naturpark Secovlje-Salinen gleich hinter der slowenischen Grenze. Das 52 Hektar umfassende Gebiet ist zugleich der grösste botanische Garten Istriens. Die istrische Spezialität dort: das in Handarbeit angebaute Salz «Fleur de Sel». «In dieser Saline werden zwischen 2000 und 3000 Tonnen hochwertiges Salz im Jahr geerntet», sagt die 36-jährige Biologin Irena Fonda. In den einzelnen Staubecken mit unterschiedlichen Grössen wird eines der wertvollsten Salze gewonnen. Zunächst gelangt das salzhaltige Wasser in ein grösseres Staubecken, etwa von der Grösse eines halben Fussballfeldes. Dann spielen zwei Komponenten die wichtigste Rolle: die Sonne und Geduld – viel Geduld. Denn je nach Temperatur verdunstet das Wasser mal schnell, aber auch mal langsam. Wenn der Salzgehalt des ersten Beckens einen hohen Grad erreicht hat, wird peu à peu ein separates weiteres Becken geflutet. Und dann ist erneut Warten angesagt, bis das Wasser verdunstet ist. «Seit rund 700 Jahren wird das Salz fast unverändert in dieser Handarbeit gewonnen», sagt Irena Fonda.
Sie selber betreibt seit 2003 in Sichtweite der Saline vor der Küste eine Fischfarm für Wolfsbarsch. Dabei setzt die tatkräftige Frau auf Ökologie und – wie kann es anders sein – ebenfalls auf Handarbeit. Netze reinigen, Futter ausbringen, Ernte einholen. Bei Wind und Wetter. Drei Jahre braucht der Fisch der Marke Fonda, um die notwendige Verkaufsgrösse zu erreichen. Dann bekommt er ein Etikett, mit dem der Käufer genau über das Fangdatum informiert wird. «So garantieren wir unseren Kunden die absolute Frische der Produkte», sagt Fonda. Ihre Geduld scheint sich zu lohnen. So beliefert die innovative Unternehmerin etwa das Restaurant von Chefkoch Curt-Daniel Scheffler im Kempinski Palace Portoroz. «Der adriatische Fisch hat einen speziellen süsslichen Geschmack, der einzigartig ist», sagt Scheffler. Für ihn ein Argument für Istrien, das die Region neben all den weiteren Spitzenangeboten zu einem Muss für Gourmet-Fans macht. Schefflers Meinung ist eindeutig: «Istrien ist ein Schlaraffenland für jeden Küchenchef.»
Shortcut
Small little town
Hum ist laut Guinness-Buch der Rekorde die kleinste Stadt der Welt. Auch wenn aufgrund der Grösse der Stadt nicht viel Sehenswertes zu erwarten ist, lohnt sich ein Besuch auf jeden Fall.
Denn in Hum entdeckt man hinter dem Stadttor dieKonoba Huma, in der man leckere Spezialitäten wie Gulasch, Sauerkraut, Käse, Schinken oder Trüffelgerichte probieren kann. Durch das Stadttor erreicht man den Kirchplatz mit der Pfarrkirche Sv. Petr i Pavel (1802) und die beiden Gassen des Ortes. In der hinteren Gasse findet man ein kleines Museum mit landwirtschaftlichen Geräten und alten glagolitischen Tafeln sowie einen Souvenirshop. Die offiziell 23 Einwohner der kleinsten Stadt der Welt wechseln sich in der Bewirtschaftung der Dorfkneipe ab. Auch dürfen ein Pfarrer und ein Bürgermeister in einer «echten» Stadt nicht fehlen. Die Bürgermeisterwahlen erweisen sich als besonders kurios. Die nominierten Kandidaten geben ein Stück Kerbholz mit ihren Initialen an die Wahlberechtigten ab, die im Kreis versammelt sind. Jeder Wähler schneidet eine Kerbe in das Holz seines Favoriten. Derjenige mit den meisten Kerben im Holz wird zum Bürgermeister gewählt.