
Die Schere öffnet sich
- 1. April 2015
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Muss man ein Wirtschaftsbuch mit über 800 Seiten lesen? Nein. Aber dieses Werk sollte man in Ruhe zur Hand nehmen. «Das Kapital im 21. Jahrhundert» ist im vergangenen Jahr erschienen und erregte Aufsehen mit über einer Million weltweit verkaufter Exemplare, was für ein Wirtschaftsbuch einen unfassbaren Erfolg darstellt. Es hat Aufsehen erregt, da es mit umfangreichem statistischem Material, mit Fallbeispielen, mit Hinweisen zur Wirtschaftsgeschichte und – theorie, aber auch mit Bezügen zu einigen Klassikern der Literatur, die sich veränderten Verhältnisse zwischen Arm und Reich anschaulich belegt. Auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos hat die Hilfsorganisation Oxfam eine Studie vorgestellt. Die Kernaussage lautet: Ein Prozent der Weltbevölkerung wird 2016 die Hälfte des gesamten Wohlstands besitzen. Diese erschütternde Bilanz ist kein Naturzustand. In den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts waren die Verhältnisse sehr viel mehr beieinander. Heute ähneln die Zahlen eher denen um die vorletzte Jahrhundertwende – der Belle Époque. Die Warnungen vor der Sprengkraft sozialer Ungerechtigkeit mehren sich. Thomas Piketty trifft den Nerv des Zeitgeistes. Der Bedeutungsverlust der Arbeit gegenüber dem Kapital wird eindrucksvoll belegt, selbst wenn man ihm einzelne Rechenfehler nachweisen kann. Die Verunsicherung einer sich bedroht sehenden Mittelschicht spiegelt sich hier wider.
Muss man jetzt wirklich alle 800 Seiten lesen? Auf den ersten 185 Seiten findet man die zentralen Thesen. Dann kann man sich im hinteren Teil einige Fallbeispiele rauspicken.