
Die unverblümte Wahrheit über den ersten Börsencrash
- 14. Dezember 2017
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Geplatzte Spekulationsblasen sind gerade in jüngster Vergangenheit keine Seltenheit mehr, und die nächste steht eigentlich immer schon vor der Tür. Doch wer war eigentlich der Erste, der es übertrieb?
Es braucht immer einen Prototyp, selbst für einen Börsencrash. Denn einer muss ja anfangen. In diesem Fall waren es die Niederländer, die ein bisschen zu viel spekuliert haben und die Blase am Ende laut platzte. Und schuld am Desaster war eine kleine, feine Blume, die bis heute als Symbol für die holländische Blumenpracht steht. Die Rede ist von der Tulpe, und wir schreiben das Jahr 1637. Der erste, gut dokumentierte Börsencrash unserer Geschichte war vollzogen. Hier seine Geschichte.
Erstes Aufblühen
Im 16. Jahrhundert waren Tulpen noch eine exotische Innovation. Neu, schön, eingereist nach Europa aus dem fernen, spannenden Persien landete die Blume unter anderem in den Niederlanden. Der Grund dafür war ein bescheidener Mann namens Charles de l’Écluse, der dank Glück an einige Zwiebeln aus Konstantinopel gekommen war. Er war Botaniker am Habsburger Herrscherhaus und fand seinen Weg nach dem Rausschmiss durch den Protestanten-feindlichen König Maximilian II. über Frankfurt nach Holland. Hier lehrte er an der Uni in Leiden und baute hier in der Freizeit Tulpen an. Und die farbenfrohen Gewächse wurden nicht nur zum Hingucker, sondern schnell zu einem «Must-have». Der Tulpenhandel wurde so salonfähig.
Zuerst noch einfarbig erhältlich, sorgte Zucht für neue Sorten, und auch der Schädlingsbefall brachte einzigartige Pflanzen hervor. Zu den bekanntesten mauserte sich jedoch vor allem die «Semper Augustus». Sie sorgte ab dem Jahr 1623 für Aufsehen, weil sie 1000 Gulden kostete. Und wenn man weiss, dass der niederländische Otto-Normalbürger für diese Summe sechs Jahre arbeiten musste, lässt sich schon jetzt der Wahnsinn erahnen, der da auszuufern begann. Doch in den Niederlanden setzte man weiter auf das Blümchen Tulpe, und zehn Jahre später zahlte man für eine Zwiebel des «Ewigen Augusts» schon 5000 Gulden und damit den Preis für eine Villa im Zentrum von Amsterdam. Noch mehr wurde für einen Vizekönig auf den Tresen gepackt. Die Rede ist hier von zwei Fudern Weizen, vier Fudern Roggen, vier Ochsen, acht Schweinen, zwölf Schafen, zwei Fässchen Wein, vier Tonnen Bier, 1000 Pfund Käse und obendrauf noch einen Silberpokal, ein Bett und einen Anzug.
1633 war dann der Wahnsinn zum Alltag geworden. Reiche Damen trugen Tulpen als Statussymbol im Haar, die Zwiebel war zum Spekulationsobjekt geworden. Immer mehr Menschen wollten immer mehr Züchtungen, um investieren zu können, und das Geschäft mit der Tulpe florierte im wahrsten Sinne des Wortes. Doch wo ein Zuviel, da reicht einfach irgendwann der Platz nicht mehr. Und so geschah es dann auch auf der Börse im Jahr 1637: zu viele Zwiebeln, zu wenig Käufer. Und statt dem Zu- gab es einen gigantischen Paukenschlag. Unzählige Menschen verloren alles, und das offensichtlich. Blumen welken nun einmal und sind eben heute Glück und morgen welk.
Erste Spekulationen
Ein Problem mit dem Tulpenhandel bestand vor allem darin, dass eine Tulpe eben nicht dauerhaft Saison hat. Daher begann man schnell, auch noch unausgereifte Zwiebeln zu verkaufen. Der Käufer ging dabei zahlreiche Risiken ein. So konnte man sich nicht einmal sicher sein, dass da überhaupt mal ein Setzling aus der Erde schaute, und wie der dann aussah, wenn er zu blühen begann, dafür gab es keine Sicherheit. Mehr Risiko ging somit kaum. In die Glaskugel schauend versuchten die Verkäufer, mit Aquarellen und Kupferstichen für Sicherheit zu sorgen. Und das ging eben auch eine Weile gut. Und zwar genau so lange, wie eben Blumenfans die kleinen Zwiebelchen in ihren Blumentöpfen kauften. Wenn aber Spekulanten das grosse Geld riechen, dann ist meistens das Ende nicht mehr weit. Und genauso erging es auch der Tulpe.
Plötzlich war da keine Blume mehr, die man würdevoll übergab. Man handelte einfach mit Optionen, und manche wechselte bis zu zehn Mal am Tag den Besitzer. Alle mischten mit, und jeder wusste es besser. Und das alles abseits des offiziellen Börsenparketts. Während man zuerst in den Spelunken bei reichlich Bier dem Handel frönte, tat man sich schnell zu sogenannten Kollegien zusammen, die einen gewissen geregelten Rahmen mit sich brachten. Alles sah aus wie ein sicheres Geschäft, doch dann stiegen erste Händler aus, und die Masse folgte. Immer mehr Optionen auf dem Markt, immer weniger Abnehmer unter dem Volk. Die Preise fielen ins Bodenlose, und – so heisst es – die halbe holländische Bevölkerung war ruiniert. Der bekannteste Loser war dabei der Maler van Rijn, den alle nur unter seinem Vornamen Rembrandt kennen.
Normalität kehrt ein
Die gesamte niederländische Wirtschaft war nur noch ein Trümmerhaufen. Mit dem Welken der Tulpen schrumpften auch die Löhne und Immobilienpreise auf ein Nichts zusammen. Der Staat musste Abhilfe schaffen oder besser: erste Hilfe leisten. Im ersten Schritt wurde der Terminhandel verboten, im zweiten durften sich Blumenzüchter und Blumenhändler nicht mehr gerichtlich auseinandersetzen. Schlichtungserprobte Menschen mussten für Ruhe sorgen und retten, was zu retten war. Dazu wurde die Tulpe zu einem Alltagsprodukt degradiert. Und die staatliche Intervention wirkte, und selbst das Zwiebelchen allen Übels, das Tülpchen, hat nichts an Beliebtheit eingebüsst. Heute aber gibt es eben einen Strauss schon für wenige Gulden. Dafür werden weltweit pro Jahr mehr als zwei Milliarden verkauft. Einfarbig, mehrfarbig und weiterhin mit lustigen Namen. Zu Moneymaker, Uncle Tom und der Gnomentulpe gesellt sich dabei auch die Dow Jones, so ganz hat man daher nicht vom börsenaffinen Handel gelassen.
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