
Die Textilvirtuosen
- 15. Dezember 2017
- 0 comments
- typo2wp
- Posted in FashionHighlight
Als eines der wenigen deutschen Modelabels spielt Talbot Runhof auf dem internationalen Parkett der Superlative mit. Im Rahmen der vergangenen Pariser Fashion Week haben wir das so sympathische wie charismatische Designer-Duo Johnny Talbot und Adrian Runhof in seinem Pariser Showroom getroffen. Ein Gespräch über Mut, die Qual, ohne Konzept zu arbeiten, Kontrastnähte und Blumen.
Anders als für ihre vorangegangene Herbst- und Winterkollektion «Lie to me», die mit Prints wie «Unpresidented» und «Sad» als politischer Seitenhieb in Richtung Washington zu verstehen war, setzten die Designer mit ihrer aktuellen Kollektion «Flowers never fail you» einen Kontrapunkt mit starken Farben, 70er-Jahre-Silhouetten und vielen Blumen. Neutralität und seine Mitte zu finden waren dieses Mal die zentralen Themen, und mit ihrer Message «create love, not war. stay strong. be cool. and if it’s too loud, turn it up» haben die beiden Modeschöpfer einmal mehr atemberaubende Kreationen im unverkennbaren Talbot-Runhof-Look erschaffen.
PRESTIGE: Adrian und Johnny, ihr zeichnet euch immer wieder durch den Mut aus, euren Unmut über politische Geschehnisse in euren Kollektionen kundzutun. Wie spannt sich der Bogen zu der farbenfrohen aktuellen Kollektion?
ADRIAN: Die Kollektion ist eine Antwort auf die letzte. In dem Sinne, als wir gemerkt haben, dass man gegen das, was momentan auf der Welt passiert, gar nicht ankommt. Ein Stück weit muss man sich davon freimachen, sonst wird man verrückt. Natürlich muss man engagiert bleiben, sich aber auch selber schützen und den Blick auf das Positive richten.
Ist die Kollektion als ein grundsätzlicher Richtungswechsel zu verstehen oder nur als eine Pause?
Das ist eine Pause. Die politischen Themen kommen in der Regel auch oft nicht so gut an, aber es war uns ein persönliches Bedürfnis, uns zu äussern, und das hatten wir dieses Mal einfach nicht. Wenn wir das Bedürfnis wieder verspüren, werden wir uns auch wieder melden.
Nun glänzen in diesen Tagen nicht viele Labels durch Mut. Betrachtet ihr die Mode als korrumpiert?
Durchaus. Momentan gefällt sich die Mode sehr mit ihren flachen und nichtssagenden Botschaften, die im Grunde nichts anderes als Plattheiten sind.
Könnt ihr mir etwas über die aktuelle Kollektion erzählen?
Selbstverständlich. Der rote Faden sind florale Formen. Blüten ganz plakativ oder runde Formen, die sich an Blütenblättern orientieren. Wir haben auch sehr viel mit Kontrast-Steppungen, also mit Kontrastgarn gesteppten Nähten, gearbeitet, um eben diese runden Formen zur Geltung zu bringen. Neben Tüll, mit dem wir für einen Teil der Kollektion gearbeitet haben, haben wir auch mit Silk Shantung gearbeitet – ein legendärer Stoff von Taroni aus Como, den es schon seit Jahrzehnten gibt und der mittlerweile ein Vermögen kostet, weil er in Italien gewebt wird. Er hat einen wunderbaren Stand und fliesst dennoch.
Blumen sind seit jeher ein immer wiederkehrendes Sujet bei euch. Ein Signature-Symbol für Talbot Runhof?
Anscheinend. Ehrlich gesagt sind wir aber davon einfach immer wieder angezogen. Und natürlich lassen wir uns auch von Stoffen inspirieren. Wir haben das Privileg, dass uns einige Stoffdesigner ihre tollen Stoffe als Erstes zeigen. Wir selbst kreieren natürlich viele unserer Stoffe selbst, sind aber auch immer wieder inspiriert von Dingen, die für unsere Augen neu sind und die uns einfach gefallen. Und ganz oft sind das eben florale Muster und Formen.
Kommen wir auf die Silhouetten zu sprechen …
Ja, die Kreationen sind natürlich sehr stark 70s-inspiriert. Auch die fliessenden Kleider aus Tüll sind in einer für die damalige Zeit typischen A-Linie geschnitten. Wir haben uns durch ein Patternbook aus den 70er-Jahren inspirieren lassen. Allerdings hatte man damals diese Schnittmuster mit steifen Stoffen realisiert, die richtig Stand hatten. Diese Schnittmuster nun mit fliessenden Stoffen umzusetzen, ist das Neue daran. Die Kleider besitzen dadurch auch etwas Weite und liegen nicht so nah am Körper, was natürlich irrsinnig komfortabel ist.
Nun ist Kreation von Kollektion ein Prozess. Gibt es den einen Punkt, an dem ihr spürt, «das ist es jetzt»?
Wir starten eigentlich immer zuerst ohne Konzept, und irgendwann kristallisiert sich etwas heraus. Kein Konzept zu haben, ist natürlich eine Riesenqual, auch für die Mitarbeiter, die sich gerne an etwas orientieren würden. Aber wir haben auch eine Abneigung gegen an den Haaren herbeigezogene Konzepte. Wir machen ohnehin zuerst einmal das, was wir für unsere Kundinnen und Retailer aus aller Welt benötigen. Und das können ganz konträre Gedanken und Ausgangspunkte sein. Doch auch ohne Konzept stellen wir am Ende fest, dass sich ein kohärentes Bild ergibt.
Nach der Show ist vor der Show – wie macht ihr euch gedanklich frei für die nächste Kollektion?
Eigentlich machen wir uns gar nicht frei, sondern einfach weiter. Wir haben jetzt schon vor fünf Wochen mit der Stoffrecherche für die neue Kollektion begonnen. Grossartig war auch die diesjährige Première Vision in Paris, an der wir wieder einmal kein Konzept hatten, nichts gesucht und viel gefunden haben. Und das ist für uns ein guter Weg, und wir merken eben auch, dass uns die Routine und die Erfahrung enorm helfen.
Comments are closed.