
Des Schnitzels neues Gewand
- 8. März 2017
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Goldbraun gebraten und innen saftig-zart – so lieben nicht nur die Österreicher ihr Wiener Schnitzel. Es hat weltweit die Geniesserherzen erobert und ist von vielen Speisekarten nicht mehr wegzudenken. Ganz klar, dass man sich bei der Beliebtheit nicht einig ist, wer der Erfinder dieser Spezialität ist, möchte doch ein jeder diese gerne sein Eigen nennen. Die ersten Erwähnungen von umhüllten dünnen Fleischscheiben stammen aus dem 9.?Jahrhundert n.?Chr. An der Festtafel des oströmischen Kaisers Basileus in Byzanz, dem heutigen Istanbul, wurden besonders edle Fleischstücke mit Blattgold überzogen. Aufzeichnungen zufolge fand man die Umhüllung mit Gold im 15. bis 16.?Jahrhundert n.?Chr.?auch in der Lombardei. Über die vielfältigen Handelswege und Beziehungen scheint diese Zubereitungsart verbreitet worden zu sein. Da das Edelmetall aber schon immer teuer und für den Rat von Venedig dieser verschwenderische Luxus untragbar war, wurde die Umhüllung mit Gold 1514 verboten. Daraufhin ersetzten findige Köche das Blattgold durch fein gemahlene Brotbrösel. Das darin gewendete und ausgebackene Fleisch ergab goldbraune Knusperstücke.
Aber zurück zum berühmten Wiener Schnitzel: Der hartnäckigsten Legende nach brachte der Feldmarschall Radetzky, der in den Jahren 1848?/?49 als Generalkommandant der österreichischen Armee in Lombardo-Venetien die italienische Revolution niederschlug, ein interessantes Beutestück nach Wien: die «cotoletta alla milanese». Nach seiner Rückkehr übermittelte Radetzky dem kaiserlichen Chefkoch das Rezept. Am Wiener Hof probierte man das Rezept gleich aus, verwendete jedoch statt Koteletts saftige Stücke des Kalbsschlegels. Das Gericht avancierte zur beliebtesten Festtagsspeise der k.?u.?k. Monarchie und ist auch heute noch der Eckstein der kulinarischen Identität Österreichs. An dieser Tatsache gibt es nichts zu rütteln. Was die Glaubwürdigkeit der Radetzky-Legende angeht, so wurde diese 1967 vom Volkskundler Günter Wiegelmann in seinem Buch «Alltags- und Festspeisen in Mitteleuropa» widerlegt. Der Historiker Richard Zahnhausen kam 2001 zu dem gleichen Ergebnis, ihm war die Theorie von Zahnhausen offenbar unbekannt. Auch Sprachforscher Heinz Dieter Pohl wies nach, dass an der Legende nichts Wahres und der Ursprung dieser Theorie der 1969 veröffentlichte Gastronomieführer «Guida gastronomica d’Italia» sei, da hierin Radetzky mit dem Schnitzel in Zusammenhang gebracht wurde.
Es spricht aber auch ohne diese Widerlegungen einiges gegen diese Theorie. So war es in Wien schon vor 1848 üblich, panierte Fleischstücke in Fett auszubacken, beispielsweise das nicht weniger berühmte Wiener Backhendl. Bleibt also die Frage, ob es die Wiener wirklich nötig hatten, sich von den Mailändern etwas abzuschauen? Wohl eher nicht. In Kochbüchern aus dem 18.?Jahrhundert finden sich eindeutige Hinweise, dass das Wiener Schnitzel schon damals ein fester Bestandteil der österreichischen Küche war. So war 1798 von «Gebachene Schnitzeln» im «Kleinen Österreichischen Kochbuch» die Rede. Aber ganz gleich, wo das österreichische Nationalgericht seinen Ursprung hatte, Fleischliebhaber kommen bei der Spezialität ganz auf ihre Kosten. Doch was ist das Besondere daran? Das dünn geschnittene, saftige Kalbsfleisch? Die lockere Panier, wie der Österreicher die Panierung nennt, die in Wellen über dem Fleisch zu schweben scheint? Oder lässt es sich nicht in Einzelteile aufdröseln, weil das grosse Ganze das ganz Besondere ist?
Bei der Zubereitung jedenfalls wird klar, dass man viel falsch machen kann und dass etwas Einfaches wie ein Schnitzel durchaus etwas Besonderes sein kann – richtig zubereitet, versteht sich! Lassen Sie sich das Fleisch beim Metzger ganz dünn schneiden, dann ist auch kein Fleischklopfer, der die Fasern zerstört und das gute Stück austrocknen lässt, nötig. Soll es noch etwas dünner werden, können Sie zuhause das Schnitzel zwischen Frischhaltefolie mit dem Boden eines Stiltopfes vorsichtig flacher klopfen. Das Panieren sollte erst kurz vor dem Braten erfolgen, sonst zieht die Bröselhülle Feuchtigkeit. Ein knuspriges Schnitzel würden Sie damit dann leider nicht mehr auf den Tisch bringen. Und dann das Entscheidende: Das Schnitzel muss zum Ausbacken im Fett (idealerweise Butter- oder Schweineschmalz) schwimmen, nur so bläht sich die Panierung schön auf.
Aber wer liebt sie nicht, die Abwechslung auf dem Teller? Wie wäre es mal mit einer Variante, dem «Schnitzel Milanese»? Diese Spezialität dürfte jedenfalls keiner den Italienern abspenstig machen, ist die Umhüllung mit Ei und Parmesan doch sehr landestypisch. Und für alle experimentierfreudigen Gourmets gibt es noch unzählige Alternativen: gehackte Nüsse, zerbröselte Cornflakes, fein gemahlene Brezeln oder Sesam. Ein Blick in den Vorratsschrank und ein bisschen Phantasie – mit Sicherheit entsteht hier noch das eine oder andere Unikat. In jedem Fall wünschen wir Ihnen guten Appetit!
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