Der Recycling-Designer – Piet Hein Eek
- 11. Oktober 2013
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Sein Name steht für Originalität und Exklusivität, denn seine Kreationen heben sich deutlich von denen anderer Designer ab. Aus dem, was andere wegwerfen, macht der Holländer kleine Kunstwerke. Der Niederländer Piet Hein Eek liebt Holz. Nicht das traditionelle Holz, welches von Schreinern verwendet wird, oder festes Holz, beliebt bei Skulpturen, sondern solches Holz, das bereits reich an Geschichte ist. Holz, bei dem wir dazu neigen, die eigentliche Schönheit zu übersehen.
Die Liebe zur Patina und altem Material
Seit über zwanzig Jahren entwirft Piet Hein Eek moderne Marketerien aus diesem Material, die über die Zeit bereits eine natürliche Patina bekommen haben. In seiner modernen Gestalt nimmt die vergangene Geschichte des Materials neue Formen an. Durch seine Werke, die von Stühlen über Tische, Sessel bis hin zu Kommoden reichen, erforscht der Künstler, der an der angesehenen Design-Akademie in Eindhoven studiert hat, die Wahrhaftigkeit von Holz, während er es stets neu interpretiert und in Szene setzt. Nachdem das Material vom Künstler per Hand bearbeitet wurde, wird es zusammengefügt und einem Feinschliff unterzogen, sodass etwas völlig Neues entsteht und nichts mehr an seinen alten Zustand erinnert.
Piet Hein Eek ist sich der Präzision bewusst, der es bedarf, diese Kunstwerke zu schaffen und ist deshalb nicht zuletzt selbst ein Kunsthandwerker. Für ihn bedeutet die Perfektion seiner Werke nicht eine makellose Oberfläche oder die absolute Ähnlichkeit zwischen seinen Stücken. Für ihn ist Perfektion etwas anderes. Sie findet sich in der kontrollierten Unvollkommenheit, in der Liebe, mit der das Holz verarbeitet wurde, in der akribischen Suche nach Struktur, in der Veredelung von rauer Grammatik in zarte Semantik, und nicht zuletzt im Geist, der durch seine Stücke strömt. Prestige traf den Ausnahmedesigner auf der Art Basel, wo er seine Hommage an das Champagnerhaus Ruinart vorstellte.
Prestige: Sie arbeiten gerne mit Holz, vorzugsweise mit altem Holz. Welche Faszination übt dieses Material auf Sie aus?
Piet Hein Eek: Ich arbeite mit vielen Materialien – nicht nur mit Holz, auch wenn man mich gerne mal in diese Schublade steckt, da es einige meiner Stücke aus Altholz ins Museum geschafft haben und dadurch einer breiten Masse bekannt geworden sind. Doch Holz ist ein Material das lebt, mit dem man viele verschiedene Dinge gestalten kann. Es altert und wird mit dem Alter immer interessanter und so mache ich Möbel aus dem, was andere entsorgen: Altholz, ausrangierte Fensterläden, aber auch alte Fahrradrahmen.
Sehr lobenswert in Zeiten der Wegwerfgesellschaft. Machen Sie Ihr Reycling-Desing aus einem ökologischen Aspekt heraus?
Diesen Heiligenschein will ich mir selbst nicht aufsetzten. Ich verwende zwar Materialien, die andere entsorgen und das bringt unweigerlich auch einen grossen ökologischen Aspekt mit sich, doch ich mache dies aus purem Egoismus (Lacht.) … Mich interessieren Dinge mit Geschichte einfach mehr. Etwas Neues zu schaffen, beispielsweise aus einem alten Türrahmen aus einem Abbruchhaus, ist für mich so viel interessanter und spannender als neues Material zu verwenden. Der Rahmen hat durch die Zeit hindurch eine ganz eigene Patina bekommen, hat gelebt, gearbeitet, das werden Sie bei «frischem» Material nie so finden. Die Imperfektion des Materials, die abblätternde Farbe, Kontraste zwischen verschiedenen Holzsorten sind einfach einzigartigen Kombinationen, die neues Material nie so bieten kann.
Ihre Möbel wecken also Emotionen?
Ich hoffe es. Zumindest bei mir tun Sie es. Zuerst verschrien einige Menschen mein Design als kurzlebigen Trend, doch ich glaube der Erfolg gibt mir heute recht. In unserer Manufaktur und den Ausstellungsräumen arbeiten inzwischen rund 90 Mitarbeiter. Ich denke, es gibt in unserer perfektionierten Welt eine Sehnsucht nach etwas mit Geschichte. Nach vielleicht auch etwas Unvorhersehbarem. Für mich ist es auf jeden Fall sehr befriedigend, unseren Zivilisationsabfällen neues Leben einzuhauchen.
Was gehört alles zu Ihrer Produktpalette?
In den frühen neunziger Jahren habe ich mir einen Namen mit einer Serie monumentaler Schränke gemacht. Seitdem haben Bänke, Tische, Stühle, Theaterdekorationen, Lampen und einiges mehr unsere Werkstatt verlassen. Erst kürzlich haben wir unsere Produktpalette um Tapeten erweitert. Auch wenn man denkt, es sei inzwischen alles entworfen worden, was es gibt, stimmt das nicht. Design ist längst nicht am Ende und immer wieder entstehen neue Ideen. Dieser Stuhl beispielsweise (Er deutet auf den Stuhl, auf dem er gerade sitzt.) ist eine Weiterführung des Abfallholzaspektes. Er besteht aus Resthölzern unserer Produktion, aus den kleinsten Holzresten, die bei einer anderen Produktion übrig blieben und normalerweise im Müll landen.
Kann man diesen Prozess noch weiterführen? Vielleicht etwas Neues aus den Sägespänen in Ihrer Werkstatt schaffen?
Das ist keine schlechte Idee (Lacht.), aber der Stuhl mit den Resthölzern hat meine Mitarbeiter schon fast in den Wahnsinn getrieben. Es war eine rechte Fummelarbeit, … aber wer weiss was mir als Nächstes in den Sinn kommt. Manchmal kommen Projekte und Ideen ganz unerwartet auf einen zu.
Wie das Projekt mit Ruinart zum Beispiel? Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Champagnerhaus? Niederländer sind ja eher als Bier und Jenever-Trinker verschrien.
Also, in der Zwischenzeit habe ich auch einigen Champagner getrunken. (Lacht.) Das war ein netter Nebeneffekt, aber das Interessante für mich an Ruinart ist die sehr alte Geschichte des Hauses und die enge Verbindung zu Holz. Ruinart waren die Ersten, die ihren wertvollen Champagner in Holzkisten verschickten. Die meisten Ländereien der Champagne verschickten ihre Ware in Körben, was jedoch zu viel Verlust führte. Ruinart hingegen transportierten vor allen anderen Champangerhäusern ihre Flaschen in Holzkisten und konnten so nach Riga, St. Petersburg oder Krakau liefern ganz ohne Scherbensalat. Die historische Bedeutung der Materie Holz ist für das Haus also sehr wichtig und daher trat man an mich heran.
Und was kam als Endprodukt dabei heraus?
Meine Interpretation der Holzkisten von 1769 (der ersten Holzkiste des Hauses Ruinart) ist eine Kiste, angepasst an jede einzelne Champagnerflasche. Die Flaschenform mit ihrem runden Körper und dem verlängerten Flaschenhals hat mich zu einer trapezförmigen Verpackung inspiriert. Natürlich aus «historischem» Holz gefertigt.
Sind die Farben willkürlich gewählt?
Nein, die Schattierungen des gesammelten Kiefernholzes (grau, weiss bis cremefarben) sollen an den Ruinart Blanc de Blancs erinnern. Jede der Geschenkverpackungen wurde in unseren Werkräumen handgefertigt, handsigniert und mit einer Nummer versehen. Wer also einen echten Piet Hein Eek und zudem einen guten Tropfen haben möchte, sollte zugreifen (Lacht.).
Sie haben aber nicht nur die Geschenkverpackungen für den Blanc de Blancs entworfen, sondern auch eine Skulptur. Was hat es damit auf sich?
Genauer gesagt, ist es eine Mischung aus Skulptur und architektonischem
Werk. Die Idee dazu kam mir, als ich die Kellereien mit ihren Gewölben besichtigte. – Wie eine riesige Kathedrale. Diese Geburtsstätte des Champangers habe ich versucht, aus Holzkisten nachzubauen. Es wirkt zudem wie eine hölzerne Arche, in der die Flaschen ihre Reise antreten.
Sie wirken sehr zufrieden mit sich und Ihrer Arbeit – fast schon tiefenentspannt …
Das bin ich auch. Es ist schön, das machen zu dürfen, was man will. Ich lebe ganz in der Nähe meiner Werkstatt in Eindhoven. Arbeit und Leben gehen fliessend ineinander über und ich arbeite wirklich gerne. Ich habe alles unter einem Dach: Design, Produktion, Vertrieb und Laden. Keiner redet mir rein. Ausser eventuell mal meine Frau, die möchte, dass ich zum Essen komme (Lacht.). Aber ansonsten weiss ich genau, was ich will, ich weiss nur nicht immer, was genau dabei herauskommt. Aber das ist ja gerade das Spannende an meinem Job.