Der Jahrhundertkoch – Eckart Witzigmann
- 10. Juli 2012
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Er gehört zur Riege der grössten lebenden Köche und steht auf Augenhöhe mit Paul Bocuse, Joël Robuchon und Frédy Girardet. Zu seinen Schülern gehören grosse Namen wie Alfons Schubeck und Johann Lafer. Sein Name: Eckart Witzigmann. Der französische Restaurantführer «Gault Millau» kürt ihn zum «Koch des Jahrhunderts». Diese höchste Auszeichnung der Kochwelt wurde vor ihm nur an Franzosen verliehen. Zudem holte der gebürtige Österreicher mit seinem Restaurant erstmals drei Michelin-Sterne nach Deutschland. Heuer feierte er seinen 70. Geburtstag, doch von Ruhestand kann keine Rede sein.
Der «godfather» der deutschen Küche
Eckart Witzigmann erlöste Deutschland und Österreich aus der kulinarischen Steinzeit und wird daher häufig als Vater des deutschen Küchenwunders betitelt. Er bekam als erster deutschsprachiger und zweiter nichtfranzösischer Koch 1979 den dritten Stern vom «Guide Michelin» verliehen, was die deutsche Küche aus einem Dornröschenschlaf riss. Sein Wirken veränderte die Essgewohnheiten vieler Menschen und beeinflusste viele namhafte Köche. So lernte man erst von ihm, dass man Fleisch nicht durchbraten sollte. Und viele Köche gingen durch seine Talentschmiede. Hans Haas, Michael Hoffmann, Harald Wohlfahrt und Christian Jürgens sind nur einige geläufige Namen, die bei Witzigmann eine der prägendsten Stationen ihrer Ausbildung fanden.
Aller Anfang ist schwer
Der erste Tag seiner Koch-Ausbildung im Hotel Straubinger in Bad Gastein wäre fast das Ende einer brillanten Laufbahn gewesen. Beim Klären der Consommé schüttet er die gute Consommé in den Ausguss, da er das Klärfleisch für Leberspätzle hielt. Doch sein Chef drückte noch mal beide Augen zu, und so begann Witzigmanns steiler, aber steiniger Aufstieg in die Spitzengastronomie. Witzigmann absolvierte zahlreiche Stationen in den Spitzenküchen der Welt. Er erweiterte sein Wissen bei den Meisterköchen Paul Haeberlin im elsässischen Illhaeusern sowie Paul Bocuse in Lyon und entdeckte dort die «Nouvelle Cuisine», die auf leichte Gerichte aus Produkten höchster Qualität setzt. Neben diesen Aufenthalten sammelte er Erfahrungen im «Operakällaren» in Stockholm, im «Cafe Royal» in London, der«Villa Lorraine» in Brüssel und dem «Jockey Club» in Washington D.C. Insgesamt verbrachte Witzigmann dreizehn Jahre im Ausland, ehe er im Jahre 1971 mit dem Münchener «Tantris» langsam, aber sicher die Küche revolutionierte. Hier brachte er den Münchnern eine verfeinerte Esskultur hoch über dem hausbackenen Bierkeller- und Festzelt-Niveau bei. In München selbst nicht immer voll gewürdigt, rückte er langsam, aber sicher zu einem weltweit bekannten Markenzeichen der Isar-Metropole auf.
Zwischen Nouvelle Cuisine und Kokain
Im Jahre1978 eröffnete er sein eigenes Lokal, das «Aubergine» in München. Dieses wurde schnell zum Pilgerort für Feinschmecker aus der ganzen Welt und erhielt als erstes deutsches Restaurant in Deutschland drei Michelin-Sterne. Diese hielt er bis zur Schliessung seines Restaurants im Jahre 1993. Der Ausnahmekoch entschloss sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere, den Kochlöffel an den Nagel zu hängen. «Ich habe gemerkt, dass ich nicht besser werden konnte», so die Begründung seiner Entscheidung. Der eigentliche Grund war jedoch, dass der Meister der Töpfe wegen Kokain-Besitzes und -Konsums zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde und die Konzession für das «Aubergine» verlor, welches 1995 endgültig schliessen musste. Lange Jahre konnte Witzigmann den Stress, den ein Sterne-Restaurant mit sich bringt, abfedern – mit dem täglichen Glas Schampus, einem Spaziergang im Hofgarten, Jogging oder Tennis.
Doch als der Stress grösser wurde, war der Griff nach Drogen, welche inmitten der Münchner Schickeria alltäglich waren, absehbar.
In der Gastronomie, vor allem der Spitzengastronomie, wimmelt es nur so von Rauschgiftsüchtigen. Die Exkursionen ins Drogenmilieu schadeten der Kochkunst des Meisters jedoch nicht. Zu offen ging er mit dem Problem an die Presse. Heute hat Witzigmann zwar kein eigenes Restaurant mehr. Vom Ruhestand ist er aber noch sehr weit entfernt. Kochbücher, beratende Tätigkeiten und eine Professur an der Restaurant-Akademie in Grythyttan füllen ihn mehr als aus. Und noch immer ist er einer der wichtigsten Verfechter der Nouvelle Cuisine, die er für aktueller denn je hält, denn Marktfrische, die Bewahrung des Eigengeschmacks, schonende Zubereitung und Regionalität sind heute mehr gefragt denn je. Neue Küchenmethoden belächelt er zum Teil, so bezeichnete er die heute gängige Art, einzelne Elemente eines Gerichtes mithilfe einer Pinzette in geometrische Formationen anzurichten und die Sosse in Reih und Glied auf den Teller zu tröpfeln als «Streberteller».
Pionierleistungen am Herd
Wenn man heute bei Köchen nachfragt, was das Besondere an Witzigmanns Küche gewesen sei, wird häufig die Präzision seiner Gar-Methodik hervorgehoben. Doch auch die Tatsache, dass Witzigmann unter Beweis stellte, dass es auch Nichtfranzosen gelingen konnte, drei Sterne zu erkochen, war für viele europäische Köche Ansporn und Inspiration zugleich, sich auf neues Kochterrain zu begeben. Der Katalane Ferran Adrià ist nur einer von ihnen. Auch wenn Witzigmann selbst sich eher kritisch zu Adriàs Molekularküche äussert. Denn seiner Meinung nach ist es die Aufgabe eines Kochs, das Beste der Natur auf den Tisch zu bringen und nicht die Errungenschaften aus 40 Jahren Lebensmittelindustrie.
Witzigmanns Küche ist noch heute aktuell: Gemüseküche, exotische Gewürze, vieles, aus dem andere Köche heute ihr Markenzeichen generieren, hat Witzigmann bereits in den 80er-Jahren propagiert. Und so führte Witzigmann manches, was heute selbstverständlich klingt, in die europäischen Restaurants ein. Zu einem Jahrhundertkoch wird man eben nur, wenn man die Küche eines Landes verändert hat. Es gehört mehr dazu als einfach nur kochen zu können, dieses macht die Tatsache deutlich, dass seit Witzigmann keinem weiteren Koch diese Ehre zuteil wurde. Und in seinen Kochbüchern lässt er die Welt an seiner Kunst teilhaben und inspiriert noch immer Jungköche aus aller Welt.
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Der Koch der Könige
Die Liste der Würdenträger und Persönlichkeiten, für die Witzigmann bereits kochte, ist endlos. Ob Queen Elizabeth II., König Hassan von Marokko König Harald aus Norwegen, Gorbatschow, George W. Bush, Franz Beckenbauer, Nicki Lauda, ihnen allen ist die Erkenntnis gemein: Besser essen kann man nicht. Der schwedische König war von den Eindrücken eines Essens so beeindruckt, dass er es sich nicht nehmen liess, selbst in die Küche zu gehen und sich bei Witzigmann zu bedanken. Eckart Witzigmann selbst macht bei seinen Gästen keinen Unterschied, jeder Gast ist gleich wichtig, ob gekröntes Haupt oder Lieschen Müller, alle werden gleich behandelt und bekommen beste Qualität vorgesetzt.