Der Dreiklang
- 19. September 2014
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Wild, Bio und Fair
Wer heute im oberen Segment der Biobranche ökonomischen Erfolg haben will, muss einige Hürden überwinden. Kunden wollen hochwertige Bio-Produkte geniessen, die unter fairen Bedingungen produziert werden. Die hohe Qualität und die Reputationsanforderungen gilt es, immer wieder neu zu bestätigen.
Maria Müller koordiniert die Geschäfte von ORIGINAL FOOD in der Schweiz. Ihr geht es darum, Naturprodukte zu finden, zu veredeln und für unseren Gaumen erlebbar zu machen. Konkret sprechen wir zum Beispiel von Wildkaffee aus Äthiopien oder edelsten Aromakakao aus Ecuador.
PRESTIGE: Kaffee war eine Luxusware und hat sich zum billigen Massenprodukt entwickelt. Wie würden Sie vor dieser Entwicklung das Geschäftsmodell Ihres Hauses bezeichnen, das zum Beispiel Kaffee aus dem Hochland von Äthiopien vertreibt?
Maria Müller: Unser Geschäftsmodell, welches auf Authentizität, Genuss und Nachhaltigkeit beruht, grenzt sich ganz klar vom klassischen Mainstream-Markt ab. Wir bieten eine einzigartige und ursprüngliche Kaffeerarität, konkret wilden Arabica-Kaffee aus zertifizierter Wildsammlung, an. Damit leisten wir zusätzlich einen direkten Beitrag zum Erhalt des gefährdeten Regenwaldes und zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region.
Was ist das Besondere an diesem Kaffee?
Die Region Kaffa im Südwesten Äthiopiens ist die eigentliche Urheimat der Coffea-Arabica-Pflanze. Wilder Kaffee wächst noch heute in den letzten Bergregenwäldern der Region. Nur noch 2,7 Prozent der einstigen 40 Prozent Waldflächen sind intakt. Die Bauern sammeln den wilden Kaffee im Regenwald, trocknen ihn natürlich an der Sonne und verlesen Bohne für Bohne von Hand. In der Schweiz wird der Wildkaffee in einer kleinen Röstmanufaktur langsam und schonend veredelt.
Kaffa-Wildkaffee ist also kein Plantagenkaffee, sondern ein wild wachsender, unverfälschter Kaffee. Das zeichnet sich vor allem in der Aromakonzentration und dem einzigartigen Geschmacksprofil aus.
Zudem wird mit der Vermarktung des wilden Kaffees der Regenwald und somit der wertvolle Bestand an wilden Kaffeesträuchern, als wichtige Gen-Ressource, erhalten. Denn mit dem Verkauf des Wildkaffees erhalten über 6 000 Bauernfamilien ein Einkommen aus dem Wald. Insgesamt leben in der Region Kaffa über 60’000 Menschen direkt von diesem neuen Absatzmarkt. Das Wildkaffeeprojekt ist somit auch ein neuer, erfolgreicher Ansatz der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit.
Was stand am Anfang? Vermutlich hat jemand eine eindrucksvolle Reise unternommen?
Den Grundstein für das Projekt legte Dr. Rainer Klingholz, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Organisation «GEO schützt den Regenwald» im Jahr 2003. Er hat sozusagen den Wildkaffee in Kaffa für Europäer neu entdeckt und die Idee, den Regenwald dank einer schonenden Nutzung zu erhalten, entwickelt. Auf der Suche nach einem Vertriebspartner wurde das Unternehmen Original Food in Deutschland gegründet.
Ich selber bin 2004 zum Projekt gestossen und habe dann Anfang 2005 die Original Food in der Schweiz als eigenständige Firma gegründet. Seitdem gibt es Wildkaffee und andere Regenwaldprodukte auch hier zu kaufen.
Wie sehen die Vertriebskanäle aus?
Unsere wichtigsten Vertriebspartner sind Biofachhandel, Reformhäuser und Spezialitätengeschäfte. Ebenfalls führen Globus Delicatessa und ausgesuchte Manor Food-Filialen Kaffa-Wildkaffee als Spezialitäten.
Gleichfalls dürfen wir einige Geschäftskunden, welche Wert auf einen speziellen und nachhaltigen Kaffee für Ihre Mitarbeiter und Kunden legen, beliefern.
Auch in der Gastronomie fassen wir langsam Fuss und möchten diesen Bereich in Zukunft noch weiter ausbauen und mehr Gastronomen für ein genussvolles und nachhaltiges Kaffeeangebot sensibilisieren.
Kann man inzwischen über Onlineplattformen Lebensmittel verkaufen?
Da kann ich mit einem klaren Ja antworten. Kaffee eignet sich sehr gut als «Online-Produkt». Hier sprechen wir insbesondere die intensiven Kaffa-Käufer an, welche regelmässig Grosspackungen bestellen.
Wie positionieren Sie sich in der Branche?
Wir sehen uns innerhalb der «Bio-Branche» als Nischenplayer im Premiumgenuss-Segment. Unsere Produkte bieten in erster Linie authentischen, unverfälschten Genuss. Das Bio- und Fairtrade-Label ist ein Zusatznutzen, welcher auch unsere nachhaltige Positionierung durch das Waldschutzprojekt verstärkt.
Inzwischen hat jeder Discounter eine Bio-Linie.
Auf der BioFach, der zentralen Biomesse in Europa, auf der ja auch Ihr Haus vertreten ist, haben inzwischen Capri Sonne und Südzucker einen Stand.
Müssen sich die Pioniere oder Anbieter aus Ihrem Segment nicht neu erfinden?
Heute reicht es nicht mehr, bio- oder fairtrade-zertifiziert zu sein, um sich im Markt zu profilieren. Der Verdrängungswettbewerb und Preisdruck wird im Bio- und Fairtrade-Segment künftig zunehmen, was sich unweigerlich auch auf die Produzenten im Ursprung negativ auswirken wird.
Nochmals nachgehakt: Vor einigen Wochen lief auf Arte eine Dokumentation zur Bio-Branche. Zentrale Schlussfolgerung war folgende: Entweder die Bio-Anbieter bleiben die klassischen Öko-Freaks oder sie unterwerfen sich dem Massenmarkt. Sie haben vermutlich dazu eine andere Meinung.
Wie unser Beispiel zeigt, gibt es einen anderen interessanten Ansatz, welcher echten Genuss in den Vordergrund stellt. Damit sprechen wir eine neue, interessante Generation der Bio-Käufer an, die authentische, genussvolle und verantwortungsvoll verarbeitete Lebensmittel sucht.
Diese Zielgruppe heisst es, auch im Biofachhandel mit einem adäquaten Sortiment zu gewinnen. Biofachhändler, welche diesen Weg finden und sich zunehmend im Spezialitätensegment positionieren, werden sich auch künftig gegenüber den Grossverteilern behaupten können.
Wie kommen Bio und Fair zusammen?
Bio und Fair müssen meines Erachtens zwingend zusammen kommen und künftig mehr oder weniger zum Standard für alle Produkte werden. Das heisst auch, dass die Anforderungen an die Bio- und Fairtrade-Zertifizierung sich näher kommen müssen und gemeinsam Richtlinien erarbeitet werden sollten.
Dies würde neben einer besseren Transparenz auch die Abläufe und den Aufwand für alle Marktteilnehmer vereinfachen.
In diesem Zusammenhang gilt es, die Partner vor Ort zu erwähnen. Wie funktioniert hier die Zusammenarbeit?
Original Food arbeitet in der Region direkt mit der Kaffa Forest Coffee Cooperative Farmer Union zusammen, welche die 20 Bauernkooperativen umfasst. Gemeinsam werden Mengen, Preis und nötige QS-Massnahmen festgelegt. Das Projekt ist zudem in ein PPP-Projekt von GIZ (Gesellschaft für Interationale Zusammenarbeit in Deutschland) und Original Food eingebettet. In diesem Rahmen werden gemeinsam mit den Kooperativen auch die Erschliessung und Vermarktung weiterer Waldprodukte wie Honig, Gewürze, etc. angegangen.
Vor Ort sind ebenfalls der Nabu (Naturschutzbund) und die Organisation «GEO schützt den Regenwald» aktiv, welche insbesondere im Bereich Kaffa-Biosphären-Reservate sowie PFM (Participatory Forest Management) tätig sind.
Es gibt auch in diesem Bereich immer wieder Skandalmeldungen, zum Beispiel Kinderarbeit auch bei Fair-Trade-Produkten. Wie schützen Sie Ihre Reputation?
Zusätzlich zu den Kontrollen und Schulungen durch die offiziellen Bio- und Fair-Trade-Kontrollstellen ist auch Original Food regelmässig vor Ort in Kontakt mit Kooperativen und Bauern.
Im Rahmen des Waldschutzprojektes wurden die Bauern zum Thema Schulbildung und Armutsbekämpfung stark sensibilisiert. Heute stellen wir fest, dass die Bauernfamilien stolz sind, dass sie ihre Kinder dank dem gesicherten Einkommen aus dem Wald zur Schule schicken können, was ihnen eine bessere Zukunft ermöglicht.
Es geht um eine beidseitig verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnern, den Bauern und ihren Kooperativen.
Als vergleichsweise kleiner Marktteilnehmer brauchen Sie vermutlich auch Partner hier in der Schweiz. Wie finden Sie diese?
Können Sie uns ein Beispiel verraten?
Unser Ziel ist es, die kostbaren Rohstoffe aus dem Regenwald möglichst sorgfältig und schonend zu verarbeiten. Dazu brauchen wir Partner mit einer ähnlichen Philosophie hier in der Schweiz. Wir suchen langfristige Partnerschaften mit kleineren, traditionellen Manufakturen wie die Max Felchlin AG, welche ebenfalls in das Kakao-Waldschutzprojekt mit GEO, GIZ und Original Food in Ecuador eingebunden ist und unsere Schokolade Rio Napo Grand Cru herstellt.
Was haben Sie sich in den nächsten Jahren auf dem Schweizer Markt vorgenommen?
Grundsätzlich wollen wir unsere Position im Spezialitätenkaffeebereich weiter ausbauen und uns vermehrt auch im Out-of-Home-Markt etablieren. Neben Kaffee, Schokolade und Tee soll das Sortiment mit weiteren ausgewählten «Waldprodukten» ergänzt werden.