
Der Reichmacher
von Wilma Fasola
- 24. Juli 2017
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Seine Schüler und Anhänger gehören zu den reichsten Menschen der Welt, doch nur wenige kennen den eigentlichen Initiator hinter der Anlagestrategie, mit der unter anderen Warren Buffett Milliarden scheffelte.
Der kleine Benjamin hatte keine einfache Kindheit. Denn der im Jahr 1894 in London geborene Junge war gerade erst neun, als sein Vater starb und damit auch die gutlaufende Porzellanproduktion zum Erliegen kam. Zudem verspekulierte seine Mutter auch noch die letzten Dollar auf dem Aktienmarkt. Ein Leben in Armut war die Folge. Doch die Ausrede, dass das karge Dasein ihm die Chance auf eine gute Ausbildung verwehrte, liess der kleine Ben für sich nicht gelten. Bereits als er ein Jahr alt gewesen war, war die Familie in die USA gezogen, und hier mauserte er sich zum Musterschüler und schloss mit gerade einmal 20 Jahren als Jahrgangszweiter das Mathematik-, Philosophie-, Englisch- sowie Griechisch-Studium an der Columbia University in New York ab. Danach begann er als Börsenmakler bei Newburger, Henderson & Loeb an der Wall Street zu arbeiten und verdiente später dank einer ganz neuen, von ihm entwickelten Anlagestrategie Millionen.
Die Rede ist von Benjamin Graham, dem Erfinder des Value Investing und damit Vater der Wertpapieranalyse. Der Anlageexperte war überzeugt davon, dass ein Gros der Investoren Aktien aus irrationalen Gründen beurteilen würde. Entscheidungen würden zu schnell getroffen, spontan aus dem Bauch heraus. Etwas, was niemals zu einem langfristigen Erfolg führen kann. «Menschen, die ihre Emotionen nicht kontrollieren können, sind von Gewinnen an der Börse ausgeschlossen», da war sich Benjamin Graham sicher. Er setzte vielmehr auf detaillierte sowie rationelle Recherche und Geduld. In seinen Augen war der Ankauf einer Aktie nicht der Erwerb eines Papiers, das möglichst schnell an Wert gewinnen sollte. Für ihn persönlich übernahm er vielmehr mit jedem Aktienkauf ein ganzes Unternehmen, inklusiver aller Gewinne, Schulden, Vermögensgegenstände und Umsätze.
Und wer ein Unternehmen kauft, der stellt Fragen. Fragen, die im Falle von Benjamin Graham am Ende in Form einer fundamentalen Kennzahlen-Analyse Antwort darauf gaben, ob sich ein Aktienankauf lohnte. Sein grundsätzlicher Gedanke dabei war, dass die auf dem Börsenparkett gehandelten Preise für Aktien niemals ihren realen Wert widerspiegeln würden. Also bestimmte er selbst den inneren Wert eines Unternehmens und damit seiner Anteile. In der Folge kaufte er nur Papiere auf, die in seinen Augen auf dem Markt aktuell unter dem eigentlichen Wert angeboten wurden. Danach übte er sich in Geduld, denn das Wirtschaftsleben zeigt bis heute, dass sich langfristig der Börsenkurs final immer auf dem realen Wert einpendelt. Je höher bei dieser Anlagestrategie die Sicherheitsmarge – also der Unterschied zwischen realem hohem und auf dem Markt niedrig gehandeltem Wert –, desto besser für den Anleger.
Ganz sicher reich
Ein eigentlich einfaches Prinzip, das aber so etwas wie das Millionärsgeheimnis ist. Und das vor allem auch, weil Benjamin Graham seiner Universität treu blieb und mit seiner Idee wie Dagobert Duck nur seinen eigenen Geldkeller füllte. Zwischen 1928 und 1957 gab er sein Wissen an die Studenten der Columbia University weiter. Zudem hielt er seine Strategien in gedruckter Form fest und publizierte gemeinsam mit David Dodd 1934 den Titel «Security Analysis», auf den im Alleingang im Jahr 1949 das Buch «The intelligent Investor» folgte. Beide wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sind bis heute Klassiker für alle, die fernab von Angebot und Nachfrage nach einer sicheren Anlagestrategie suchen. Einer Strategie, die übrigens auch den reichsten Mann der Welt geprägt hat. Denn der bekannteste und übrigens auch der einzige Schüler, der je in einem Graham-Kurs an der Columbia University ein «A+» erhielt, war der US-Milliardär Warren Buffett. Er hat seinen Reichtum seinem Lehrmeister zu verdanken. So sagte der reichste Mann der Welt einmal: «Du musst keinen IQ eines Genies haben, um ein grossartiger Investor zu sein. Alles, was du dafür brauchst, ist einfache Mathematik, das Wissen, auf welche Zahlen du schauen musst, und etwas gesunden Menschenverstand.» Und das spiegelt im Kern alles wider, was Benjamin Graham ihm mit auf den Weg gab.
Um seinen Gedankengang anschaulich darzustellen, hat Benjamin Graham übrigens eine fiktionale Figur erfunden. Mr. Market ist dabei wie seine Basisstrategie eine feste Institution in der Börsenwelt. Der launenhafte und emotional geleitete Anleger, der gute und schlechte Tage hat und entsprechend kauft und verkauft. Kurzfristig denkend, langfristig scheiternd. Mr. Market hat Geld, aber keine Ahnung. Für ihn zählt das Heute, und morgen ist ein anderer Tag. In Grahams Augen funktioniert in diesem Sinne der Handel an der Börse. Doch – wie gesagt – der Beste wird nur der, der langfristig denkt und sich Zeit für Fragen erlaubt. Oder um es mit seinen Worten zu zitieren: «Beim Investieren befriedigende Resultate zu erzielen, ist leichter, als die meisten Menschen glauben. Aussergewöhnliche Resultate zu erzielen, ist dagegen schwerer, als es aussieht.»
Ganz sicher dauerhaft reich
Geprägt hat Benjamin Graham bei allem, was er tat, immer die Angst vor dem totalen Verlust. Denn nicht nur als Kind verlor er finanziell gesehen alles. Auch später musste er erleben, dass sich von einem auf den anderen Tag ein Leben komplett ändern kann. Nach seinen ersten Arbeitsjahren an der Wall Street, in denen er sich von dem jungen Angestellten, der die Kurse auf Tafeln schrieb, zum Händler mit einem Jahreseinkommen von rund einer halben Million US-Dollar hocharbeitete, hatte er sich mit seinem Partner Jerome Newman 1926 selbstständig gemacht. Doch drei Jahre danach verloren die beiden im Zuge des Börsencrashs quasi alles. Doch während der Markt im Allgemeinen rund ein Vierteljahrhundert brauchte, um sich zu erholen, schafften es Graham und Newman innerhalb von fünf Jahren, zu alter Stärke – finanziell wie unternehmerisch – zurückzufinden.
Seine Strategie funktioniert dabei bis heute, muss aber an einigen Stellen revidiert werden. Denn nicht von der Hand zu weisen ist, dass der Handel heute nicht mehr auf menschlichen Emotionen basiert. Computer sammeln, analysieren und liefern die Daten. Experten gehen davon aus, dass heute bereits 50 Prozent des Aktienhandels zwischen Computern passieren. Zudem sind die Zeitfenster, die Investoren zur Verfügung stehen, nicht mehr endlos. Es zählt das Jetzt, damit man morgen auch noch im Spiel ist. Dennoch ist Graham zeitlos. Denn zu hinterfragen, was man da eigentlich kauft und was es eigentlich wirklich wert ist, ist am Ende gesunder Menschenverstand. Und in Zeiten von Bioläden, Herkunftssiegeln und Superfood sind Fragen nach dem Kern einer Sache aktueller denn je.
Ganz sicher bis ans Ende reich
Graham selbst schickte sich übrigens selbst mit 62 Jahren in Rente und lebte fortan an seinen Lieblingsorten. Beginnend in Beverly Hills über La Jolla in Kalifornien bis nach Aix-en-Provence und Madeira. Statt weiterer Investments widmete er sich fortan dem Schreiben. Dabei schrieb er sogar sein eigenes Totengedicht, das eine Hommage an den inneren Wert ist: «Dieser Mann erinnert sich an das, was sonst alle vergassen, und vergass viel, an das sich jeder erinnert. Er lernte lang, arbeitete hart und lächelte häufig, gestärkt von Schönheit und gefesselter Liebe.» Worte, die davon zeugen, dass er – auch wenn die Kindheit nicht immer einfach war – am Ende seines Lebens nicht nur reich, sondern vor allem glücklich war.
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