
Der Platz des gepflegten Genusses
von Helena Ugrenovic I Fotos: Sotheby’s
- 25. Februar 2019
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Sie ist kein Stuhl und auch kein Bett, sie ist ein gepolstertes Sitz-Liegemöbel mit schräger Lehne an der Seite, und sie hat das gewisse Etwas. Sie ist sexy und fast schon dekadent und verströmt immer noch den Hauch des repräsentativen Ehrensitzes, der ihr im Mittelalter und während der Rokokozeit zuteil wurde. Die Chaiselongue, auf der sich so schön posieren lässt.
Populär wurde die Chaiselongue, deren Existenz weit in die Geschichte reicht, Anfang des 18. Jahrhunderts in Frankreich. Ursprünglich entstand sie aus einem durch einen Fauteuil verlängerten Tabouret, zwei Elementen, die sich insbesondere in der Louis-Quinze- und Louis-Seize-Epoche zwischen 1745 und 1780 grosser Beliebtheit erfreuten. Die «Duchesse brisée» genannten Möbelstücke verschmolzen mit der Zeit zu einem einzigen Möbelstück, auf dem man sitzen, die Beine hochlagern und sich bei einem Mittagsschläfchen erholen konnte. Im Gegensatz zu einem Bett ist eine Chaiselongue, auf der man eine Haltung zwischen Sitzen und Liegen einnimmt, nicht wirklich zum Schlafen, sondern zum Faulenzen gedacht.
Im antiken Ägypten und Griechenland
Bei Ausgrabungen antiker ägyptischer Gräber vermuteten Archäologen, dass die dort gefundenen langen Stühle aus der Zeit um 3000 v. Chr. die frühesten Beispiele für die Entstehung der Chaiselongue sind. Für die wohlhabenden Ägypter wurde der Rahmen aus Holz gebaut und weist ein Elfenbein- oder Ebenholzfurnier auf, während für die ärmere Bevölkerungsschicht das Möbelstück wahrscheinlich aus Palmstöcken und Korbgeflecht hergestellt wurde.
Im antiken Griechenland war es während des 8. Jahrhunderts v. Chr. üblich, auf einem langen Stuhl zu sitzen, während man dinierte oder sich unterhielt. Die Griechen nannten den Stuhl «kline» oder «klinai», der in Stofflagen drapiert und mit Kissen an der Kopfstütze gepolstert war. Die «kline» war ein beliebtes Möbelstück für griechische Symposien und gesellschaftliche Versammlungen, wo Männer auf Kline-Sofas sassen, die in Reihen an der Wand aufgereiht waren und den Blick zur Türe ermöglichten, während man trank und sich unterhielt.
Die Chaiselongue im Römischen Reich
Ähnlich wie im antiken Griechenland liebten es auch die Römer, sich während der Essenszeit und Banketten zu erholen. Sie hatten sogar einen Namen dafür: «accubatio», was so viel wie «das Zurücklehnen am Tisch» bedeutete. Die römische Chaiselongue war als Lektus bekannt, doch die Römer beherrschten die Kunst der Polsterung nicht gut genug, und so wurde der Lektus aus Holz angefertigt und mit Kissen zum Wohlfühlen ausgestattet. Generell übernahmen sie viele Bräuche und ästhetische Merkmale griechischer Symposien, die auf ähnliche Weise Bankette und geselliges Beisammensein genossen und von den alten Römern als «comissatio» bezeichnet wurden. Ein soziales Nach-dem-Essen-noch-einen-Tropfen-Geniessen, das bis spät in die Nacht dauerte.
Die moderne Chaiselongue
Die moderne Chaiselongue, wie wir sie kennen, wurde während Frankreichs Königszeiten von Möbelhandwerkern speziell für die Aristokraten entworfen, um sich tagsüber alleine oder in Gesellschaft von Freunden auszuruhen. Während des 19. Jahrhunderts entwickelte die Chaiselongue feminine Konnotationen als dekadenter Thron für Frauen, um sich während des Tages auszuruhen, ohne ihr Schlafzimmer zu betreten. Während der französischen Rokokozeit wurde die Chaiselongue, die kunstvoll und nur aus den seltensten und teuersten Materialien hergestellt war, zum Symbol des sozialen Status.
Heute gilt die Chaiselongue als Luxus und Neuheit für das moderne Zuhause und wird häufig verwendet, um das Dekor eines Hauses ausserhalb des Schlafzimmers zu ergänzen.
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