
Der Pionier
- 6. Juli 2017
- 0 comments
- typo2wp
- Posted in Living
Charles Rennie Mackintosh (1886–1928) war seiner Zeit voraus. Sein Markenzeichen: das Quadrat. Der Glasgower Architekt, Innendesigner, Künstler und Grafiker führte Glasgow aus dem viktorianischen Zeitalter in die Moderne und schrieb damit seine eigene Geschichte über Aufstieg, Fall und späte Wiederentdeckung.
Sein Erfolg begann schon früh. Mit Anfang 20 bereits im Glasgower Architekturbüro Honeyman & Keppie angestellt, besuchte Charles Rennie Mackintosh, zusammen mit seinem besten Freund Herbert McNair, Abendkurse an der Glasgower School of Art. Eine prägende Zeit, in der sie schnell zu einem illustren Kreis von Künstlern gehörten. Mit der Bekanntschaft der beiden Schwestern Margaret, einer Malerin und Glaskünstlerin, und Frances MacDonald bekam ihr aller Leben einen ganz neuen Impuls. Als künstlerisches Quartett «The Four» prägten sie im Arts and Craft Movement den geometrischen «Glasgow Style», der mit einer Mischung aus keltischen und japanischen Elementen für Aufsehen sorgte.
Bund fürs Leben
Aus Freundschaft wurde schon bald Liebe. Frances MacDonald und Herbert MacNair heirateten im Jahre 1899, Margaret und Charles Rennie schlossen den Bund fürs Leben nur ein Jahr später. Ihr Apartment an der Glasgower Mains Street 120 nutzten die Mackintoshs nicht nur als Wohnung, sondern auch als Atelier und Showroom, in dem jedes einzelne Stück – ob Möbel, Textilien oder Besteck – von ihnen selbst erschaffen worden war und womit sie etwas nach Glasgow brachten, was im restlichen Europa unter dem Namen «Design aus einem Guss» bekannt war.
Das Quadrat
Ob Innendesign, Möbel oder Objekte – die so unverkennbare Handschrift Charles Rennie Mackintoshs, der das Quadrat als Gestaltungselement zugrunde lag, markierte den Übergang des viktorianischen Zeitalters zur beginnenden Moderne und war seine ganz persönliche Antwort auf den Pariser Art nouveau und die Wiener Secession. Die Zeit um die Jahrhundertwende darf rückblickend als der Zenit seines Schaffens bezeichnet werden. So nahm er, zusammen mit Margaret, an einer Ausstellung der Wiener Secession teil, wo er mit Josef Hoffmann und Gustav Klimt Bekanntschaft schloss; Fritz Wärndorfer beauftragte ihn in Glasgow mit dem Entwurf eines Musikzimmers, während er für die Familie des Verlegers Walter Blackie das legendäre «Hill House» entwarf und Teilhaber des Architekturbüros Honeyman & Keppie wurde und ein weiteres Meisterwerk entstand: die Bibliothek der Glasgower «School of Art», die im Jahre 2014 durch einen Brand komplett zerstört werden sollte.
Ikonische Stühle
Zu Mackintoshs Kunden gehörte auch Catherine Cranston, die zwischen 1894 bis 1910 eine Reihe von Teestuben in Glasgow eröffnete, um einen Kontrapunkt zu dem steigenden Alkoholismus in der Bevölkerung zu setzen. Sie beauftragte den Designer mit dem Innendesign und legte damit den Grundstein für zwei der wohl ikonischsten Stühle der Moderne. So schuf er für die Teestube an der Argyle Street den legendären Stuhl mit hoher Lehne und ovalem Kopfstück, während er für die Stube an der Willow Street den berühmten «Willow Chair» mit seiner für ihn so typischen gebogenen Rückenlehne kreierte, der als Thron für Catherine Cranston angedacht war, auf dem sie würdevoll die Bestellungen ihrer Kundschaft entgegennahm.
Der Untergang
Doch das Glück währte nicht ewig. Überschattet durch den Selbstmord von Margarets Schwester Frances und dem sich nicht erfüllenden Kinderwunsch, verfiel Charles Rennie Mackintosh immer mehr dem Alkohol. Durch seine schwindende Zuverlässigkeit schwand das Vertrauen der Kunden ebenso, wie sich die Anzahl der Aufträge ausdünnte. 1914 markierte einen weiteren Tiefpunkt, als er, mit 46 Jahren, aus dem Büro Honeyman & Keppie als Teilhaber ausschied. Ein Jahr später liess sich das Ehepaar in London nieder, wo sie zwar zur Künstlerszene von Chelsea gehörten, doch mehr schlecht als recht versuchten, vom Verkauf von Margarets Aquarellen zu überleben. Seinen letzten Auftrag erhielt Mackintosh im Jahre 1916 von dem Industriellen Wynne Bassett-Lowke für den Ausbau eines Hauses in Northampton – «Derngate 78» war mit seinen strengen Geometrien, starken Linien und Farbkontrasten, wie sie später im Art déco populär wurden, seiner Zeit weit voraus.
Aufgrund der niedrigen Lebenshaltungskosten und des der Gesundheit zuträglichen Klimas reisten die Mackintoshs 1923 nach Südfrankreich. Doch als Charles an Zungenkrebs erkrankte, kehrte das Paar zurück nach London, wo der Ausnahmekünstler Charles Rennie Mackintosh 1928 in einem Pflegeheim starb. Nur vier Jahre später folgte ihm auch seine Frau Margaret. Zuerst für viele Jahre verkannt, wurde Charles Rennie Mackintosh erst von Kunsthistorikern, nach dem Zweiten Weltkrieg dann von Sammlern und in den Siebzigern vom Designhersteller Cassina wiederentdeckt. Seine Arbeiten, die sich kaum verkaufen liessen, erzielen heute Rekordsummen an Auktionen.
Comments are closed.