
Der Mythos Scala
- 8. Mai 2017
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Pilgerstätte für Liebhaber der Bühnenkünste, Nationalheilige der Italiener und Olymp für Künstlerinnen und Künstler – seit ihrer Eröffnung im Jahre 1778 ist der glanzvolle Ruhm der legendären Mailänder Scala ungebrochen.
Es ist diese unvergleichliche Magie, die sie umgibt. Wiege der italienischen Oper und Wirkungsstätte der grössten Stimmen, Dirigenten, Musiker, Tänzer und Komponisten, die seit dem 18. Jahrhundert die Bühne der Scala mit Leben erfüllen – kein anderes Musiktheater blickt auf so viel Tradition und Geschichte zurück wie die Mailänder Scala. Sie war das Sprungbrett für berühmte Opernkomponisten wie Giacomo Puccini, Gaetano Donizetti und Vincenzo Bellini, aber auch für Giuseppe Verdi, der hier im Jahre 1845 mit seiner Oper «Nabucco» zu Weltruhm gelangte. Aber sie war auch Ort des Triumphes und der Niederlagen. Die Scala lebt durch ihr imposantes Erbe, das bis heute spürbar ist und sie weltweit so einzigartig macht. So liess sich einmal der Generaldirektor der Jahre 1972 bis 1977, Paolo Grassi, eine Loge öffnen, lauschte in den stockfinsteren Saal und sagte: «Hören Sie einmal, hier wohnen die Seelen der grossen Künstler.»
Der Ritterschlag
Ein Engagement an der Scala zu erhalten, kommt einem Ritterschlag gleich. Hier zu bestehen, einer Krönung. Denn selbst die versiertesten Künstlerinnen und Künstler begegnen der Scala mit einer Ehrfurcht, die sich nicht selten mit Versagensangst vermischt. So sagte einmal Dirigent Claudio Abbado: «An der Scala herrscht eine besondere Atmosphäre. Jedes Mal, wenn ich dort bin, beobachte ich die Nervosität der Künstler, bevor sie auf die Bühne müssen.» Oder der frühere Hauptgastdirigent und Musikdirektor Daniel Barenboim, der die herausfordernden Bedingungen mit den Worten «An der Scala herrscht ein verschwörerischer Geist, der wie eine Last auf dem Theater liegt. Sie ist ein Haus der Gegensätze, brutal und gleichermassen von einer unvergleichlichen Zartheit und Kreativität» beschrieb. Tatsächlich gilt die Scala als eines der härtesten Pflaster. Die Macht liegt in den Händen des Publikums, das sich nicht scheut, seine Verärgerung lautstark kundzutun. Eine Erfahrung, die selbst Maria Callas machen musste, als sie während eines Liebesduetts in «Medea» mit dem Sänger Jon Vickers den Ton verfehlte und mit Pfiffen abgestraft wurde. Puccini ging bei der Uraufführung seiner «Madame Butterfly» im Jahre 1904 vor einem grölenden Publikum ebenso unter wie die junge Mirella Freni, die unter Herbert von Karajan 1964 ihre erste Violetta sang und mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen wurde. Ihr Fehler: Sie war die Nachfolgerin der für das Publikum unersetzbaren Maria Callas.
Die Wurzeln der Scala
Die Geschichte der Scala beginnt im Jahre 1778. Vorausgegangen war ein Feuer im Februar 1776, das das alte Mailänder Hoftheater Teatro Regio Ducale vollständig zerstörte. Die Mailänder wollten nun an einer anderen Stelle einen noch grösseren und noch schöneren Saal bauen. Sie entschieden sich, die zwar geschichtsträchtige, doch zu dieser Zeit bereits recht verfallene Kirche Santa Maria de La Scala, ein Bauwerk aus dem 14. Jahrhundert, zu opfern. Das ehrgeizige Ziel der Mailänder: die bedeutendste Spielstätte der ganzen Welt zu errichten. In gerade einmal 23 Monaten errichtete der klassizistische Architekt Giuseppe Piermarini das Teatro alla Scala, das 1778 eröffnet und zum «Pantheon» der italienischen Musik wurde.
Der Impresario
Eine der wichtigsten Persönlichkeiten der ersten Jahrzehnte war Domenico Barbaja (1778–1841), der ursprünglich geholt worden war, um das Glücksspiel an den Tischen in den Vorräumen der Scala – eine wichtige Einnahmequelle des Hauses – zu organisieren. Barbaja, ehemaliger Kellner und der Beschreibung nach ein ebenso ungehobelter wie ungebildeter Kerl, der kaum des Lesens mächtig war, sich jedoch durch eine unschätzbar wertvolle Fähigkeit auszeichnete: einen guten Riecher für das Geschäft und aussergewöhnliche Musik zu haben. Anfang des 19. Jahrhunderts zum Impresario des Hauses aufgestiegen, pflegte er Verbindungen zum jungen Verdi, verhalf Gioachino Rossini und Gaetano Donizetti zu Ruhm und nahm Vincenzo Bellini, den er als unwahrscheinlich schüchternen Burschen beschrieb, unter Vertrag. Ein weiterer grosser Name, der untrennbar mit dem Erfolg der Mailänder Scala zu nennen ist, ist Arturo Toscanini (1867–1967). Ab 1898 musikalischer Leiter und Dirigent und einer der bedeutendsten Orchesterleiter seiner Zeit. Ursprünglich studierter Cellist, musste er, gerade einmal 19 Jahre alt, während einer Konzertreise den kurzfristig ausgefallenen Dirigenten in Rio de Janeiro ersetzen, was er mit einem solch grossen Erfolg tat, dass seine Karriere als Dirigent besiegelt war. Für die Mailänder Scala war er nicht nur musikalisch ein Wegbereiter, er war es auch, der die Unsitte der Zugabe beendete und den Damen verbot, während der Vorstellung Hüte zu tragen.
Schicksalsjahre
Doch auch die widrigen Umstände der Zeitgeschichte verschonten die legendäre Mailänder Scala nicht. So zwang sie der Zweite Weltkrieg in die Knie, als eine Bombe 1943 grosse Teile des Gebäudes zerstörte. In einer Rekordzeit wurde die Scala rekonstruiert und 1946 mit einem Konzert unter der Leitung Arturo Toscaninis wiedereröffnet. Von Beginn an war die Scala ein Treffpunkt, an dem sich die Menschen trafen, um über Politik zu diskutieren, Geschäfte zu machen oder sich in den Logen anderen «Annehmlichkeiten» hinzugeben. Ihre gesellschaftliche Blütezeit aber markierten die 1950er Jahre. Zu verdanken hatte sie dies vor allem ihrer ebenso glanzvollen wie exzentrischen Primadonna assoluta – der unvergessenen Maria Callas. Sie war es, die als Medea, Violetta oder Norma ungeahnte Massstäbe setzte und zu einem Idol einer ganzen Generation wurde, aber auch ihre Kapriolen und tragischen Liebesgeschichten, die die internationale Boulevardpresse nach Mailand blicken liess. Doch je grösser ihr Ruhm wurde, umso exzentrischer wurde sie, desto höher wurden ihre Gehaltsforderungen und respektloser der Umgang mit der Intendanz und den Kollegen. Unhaltbar für das ganze Haus, und so entschied der damalige Intendant Antonio Ghiringhelli 1958 mit dem berühmt gewordenen Satz «Primadonnen kommen und gehen, aber die Scala bleibt», sich von ihr zu trennen.
Die Liste an bedeutenden Namen, die die Mailänder Scala zum glanzvollen Fixpunkt am Firmament des Klassikhimmels gemacht haben, ist unvergleichlich. Hier tanzte der berühmte Rudolf Nurejew ebenso, wie Caruso das Publikum verzauberte und der unvergessene Klaviervirtuose Vladimir Horowitz – im Übrigen der Schwiegersohn Toscaninis – für Begeisterungsstürme sorgte. Für die einen ist die Mailänder Scala Lichtjahre von anderen Musiktheatern entfernt, für andere lebt sie vor allem durch ihren Mythos. Doch eines ist sicher – wenn die Lichter des imposanten Kronleuchters langsam erlöschen, sich die erwartungsvolle Spannung über den Saal legt und die Bühne für die grössten aller Künstler freigegeben wird, dann ist das ein Moment, den man nie mehr vergessen wird.
Saisoneröffnung
Seit 1951 wird jedes Jahr am 7. Dezember, dem Gedenktag des heiligen Ambrosius von Mailand, die Saison der Mailänder Scala mit einem prunkvollen Fest eröffnet. Ein gesellschaftlicher Anlass der Superlative, zu dem sich nicht nur internationale Stars, sondern auch gekrönte Häupter einfinden. Immer wieder kommt es an diesem Datum zu grösseren Unruhen der politisch linken Seite, so auch während der Studentenbewegung im Jahre 1968, als die Operndiven in ihren Nerzmänteln mit Eiern beworfen wurden.
Mario Botta
Da die Scala nach dem Zweiten Weltkrieg in kürzester Zeit wiederaufgebaut worden war, offenbarten sich immer mehr Mängel, die umfangreiche Sanierungen im Bereich der Bühnentechnik, aber auch der Akustik notwendig machten. Ein Auftrag, der unter der Leitung des Architekten Mario Botta von 2001 bis 2004 durchgeführt wurde. Während die Akustik und die Technik auf den neuesten Stand gebracht wurden, wurde die ursprüngliche Inneneinrichtung wiederhergestellt.
«Jeder Esel kann den Takt schlagen, aber Musik machen – das ist schwierig.»
– Arturo Toscanini –
«Meine Stimme verstört die Leute.»
– Maria Callas –
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