
Das Ruder abgeben: Idee einer anderen Führung
- 12. September 2016
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Das Militär scheint auf den ersten Blick nicht der Ort zu sein, an dem sich eine neue Art des Führungsstils entwickeln kann. Doch genau das hat David Marquet während seiner Dienstzeit als Kapitän von Atom-U-Booten bei der U.S. Navy geschafft. Seine Vision ist ein Arbeitsplatz, an dem jeder mitdenkt und sich mit seinen Fähigkeiten einbringt. Ein Ort, an dem jeder auch ein Anführer ist. Durch seine Idee wird sogar die «USS Santa Fe», das U-Boot der U.S.?Navy mit der schlechtesten Bewertung, in kürzester Zeit zu dem Schiff, das am effektivsten und besten arbeitet. David Marquet weiss seit seiner Jugend, dass er zur Marine will, und macht seinen Abschluss auf der U.S.?Naval Academy als Bester seiner Klasse, doch die Art, wie Befehle gegeben und befolgt werden, missfällt ihm.
Bald ist er als Kommandant für das Jagd-U-Boot «USS Olympia» vorgesehen und beginnt sich vorzubereiten. In zwölf Monaten lernt er sein Schiff auswendig – jede Schraube, jeden Hebel, jedes Detail. Doch es kommt anders und David muss den Befehl über die «USS Santa Fe» übernehmen. Nicht nur hatte er das Schiff nicht studiert, sondern ihr Ruf ist auch so schlecht wie ihre Performance. David war in einer Befehlsstruktur, in der er alles wissen sollte, auf einem Schiff, das er nicht kannte. Wie fatal diese Kombination war, zeigte eine erste Routineübung. Bei der Simulation eines Reaktorfehlers wird der Antrieb auf den elektrischen Ersatzantrieb umgestellt und David gibt den Befehl «zwei Drittel vorwärts», wie er es für die «USS Olympia» gelernt hatte. Der Erste Offizier gibt den Befehl weiter und der Steuermann blickt verwirrt und tut nichts. Die «Santa Fe» hat diese Einstellung nicht und der Erste Offizier hatte den Befehl wider besseres Wissen weitergegeben.
Aus der Not eine Tugend machen
Als unwissender Kommandant macht Marquet aus der Not eine Tugend und er beginnt, sich auf das Wissen der Crew zu verlassen. Er gibt keinen einzigen Befehl mehr, sondern teilt der Crew nur noch seine Ziele mit. Seine Besatzung wurde zu Kapitänen. In kürzester Zeit wird die «Santa Fe» das Schiff mit der besten Bewertung aller Zeiten, und aus der Besatzung werden überproportional viele in Führungspositionen befördert. Sein Buch «Turn the ship around!» für Manager erzählt von seiner Idee und seiner Umsetzung. PRESTIGE traf David Marquet nach seinem Vortrag auf dem WORLDWEBFORUM.
PRESTIGE: Herr Marquet, was ist der klassische Führungsstil?
DAVID MARQUET: Ein klassischer Führungsstil ist das, was ich «alles wissen – alles befehlen» nenne. Der Anführer kennt alle Antworten und gibt alle Aufträge. Alle Aufträge zu geben, heisst dabei, alle Antworten zu kennen.
Als Kapitän eines Atom-U-Bootes bekamen Sie mit der klassischen Organisationsstruktur Probleme und entwickelten etwas, das Sie «Intent-Based-Leadership» nennen – einen absichtsbasierten Führungsstil. Wie funktioniert dieser?
Die Idee liegt darin, dass Führer widerstehen, Aufträge zu geben. Der Anführer teilt nur seine Absicht mit, zum Beispiel: «Wir wollen ein Album bewerben» oder «Wir wollen das U-Boot positionieren». Aber der Anführer widersteht, Sachen zu sagen wie: «Ich will, dass Du eine Facebook-Werbung schaltest.» Anstatt genaue Aufgaben vorzugeben, gibt er «intents». Das Team wird darüber nachdenken und sagen: «Wir beabsichtigen das Folgende?…» Im Englischen ist «intent» ein sehr wichtiges Wort. Denn wenn ich sage, ich beabsichtige das zu machen, dann wird es passieren, ausser der Chef untersagt es. In den meisten Organisationen braucht man die Erlaubnis, um etwas zu tun. Und das bedeutet, dass alles stoppt und auf diese Erlaubnis wartet. In absichtsbasierten Organisationen passiert es einfach, ausser der Chef untersagt es. Und diese Verlagerung von diesem «Nichts-passiert-ohne-Erlaubnis» zu «Dinge-werden-gemacht-ausser-jemand-sagt-Nein» ist wesentlich.
Werden dadurch die Strukturen effektiver?
Ja, aber das Entscheidende ist, dass Menschen zu Träger ihrer Handlung werden, wenn sie sagen müssen, was sie machen wollen. Das zwingt sie zum Nachdenken und dadurch beteiligen sie sich. In dem Moment, in dem ich ihnen Anweisungen gebe, entziehe ich ihnen jede Notwendigkeit nachzudenken.
Dadurch nimmt man jeden mit in die Verantwortung. Bedeutet das auch einen Verlust an Struktur?
Ich glaube, dass Strukturen wichtig und notwendig sind. Man muss verstehen, welche Entscheidung von wem kommt und wer welche Entscheidungen treffen kann. Das Problem sind meistens schlechte Strukturen und nicht die Strukturen selbst. Oft benutzt man Strukturen, um Informationen zu den Entscheidungsträgern zu drücken, anstatt die Entscheidungsfindung zu den Menschen mit den Informationen zu tragen. Aber zu verstehen, wer welche Entscheidung trifft, ist gut. In einer Firma, in der das im Vagen liegt, verliert man viel Zeit damit herauszufinden, welche Entscheidungen wer treffen muss und kann…
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