
Das spektakuläre Nebensächliche
- 19. September 2017
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Es ist nicht die perfekt-fiktive Glitzerwelt, schöne Frauen vor atemberaubenden Kulissen und mit Klunkern um den Hals. Was er mit seiner Linse einfängt, erscheint auf den ersten Blick unspektakulär, doch spätestens beim zweiten saugt sich das Auge an der Fotografie fest, die auf so subtil unscheinbare und doch beeindruckende Art das Leben zeigt, wie es ist. Fred Herzog. Pionier der Farbfotografie und der Geschichtenerzähler.
Fred Herzog wird am 21. September 1930 als Ulrich Herzog in Stuttgart geboren. Er ist Kriegswaise, gelernter Verkäufer im Eisenwarenhandel und begeistert sich schon als Jugendlicher für die Fotografie. Als er als junger Seemann im Hafen von Vancouver, Kanada, landet, bleibt er dort hängen. Die Stadt gefällt ihm, und so wird er zum spontanen Auswanderer, der seine neue Heimat mit den neugierigen Augen eines Fremden betrachtet und damit beginnt, Vancouver auf Fotografien festzuhalten. Doch Sehenswürdigkeiten und sonstige Klassiker, mit denen Touristen sich zu Hause brüsten, interessieren ihn nicht. Was er sieht und mit der Kamera festhält, ist eine Welt in und mit all ihren bunt grellen, düster bedrückenden, traurig deprimierenden oder fröhlich ausgelassenen Facetten.
Fühlen, statt nur zu sehen
Es ist untypisch für die 1950er, als in erster Linie die Schwarz-Weiss-Fotografie einem Kunststatus entspricht, Farbfotografie als kommerziell gilt und eher in der Werbung eingesetzt wird. Und so, wie er diese vorherrschende Meinung durchbricht, fokussiert er die Kamera auf andere Motive als seine Berufskollegen. Fred Herzog zeigt eine Welt, wie sie ist, ungeschönt, jedoch authentisch, und verführt den Betrachter seiner Fotografien und der Darstellung des Besonderen, über das «behind the scene» und die Geschichten nachzudenken, die sich in seinen Motiven abspielen. Triste Häuserfassaden, an denen knallig orange Werbeplakate der damaligen Popkultur in krassem Gegensatz zum abgewetzten und verrussten Putz stehen, Menschen in emotionalen Momenten oder scheinbarer Gleichgültigkeit, irgendwie alltäglich und doch fast schon mysteriös anziehend, hervorgekitzelt durch Herzogs untrügliches Gespür für Alltagssituationen, Menschen, Plätze und Strukturen.
Die Farben des Lebens
Es sind Momente, Körperhaltungen, Gebäude, Gegenstände, Farben und Situationen, die so unfertig fertig und faszinierend sind. Die Unterkörper zweier Frauen, wo Beine in schreiend orangefarbenen Strümpfen und himmelblauen Socken stecken und der tannengrüne Rock wie ein Samtvorhang fällt und sich Fragen formieren, wie sie wohl aussieht, die junge Frau mit der abenteuerlichen Klamottenkombination, ob sich die beiden Frauen kennen, die mit den schrillen Strümpfen und die andere mit dem schweren, orangenen Rock und den schwarzen Schuhen mit leicht eingeknicktem Absatz? Oder die erstaunt konzentrierten Gesichter der Casino-Besucher, die in eine Richtung starren, während hinter ihnen ein Vater sein kleines Kind huckepack trägt und erst bei längerem Hinsehen irgendwie sichtbar wird. Aufgestapelte Getränkekisten, flattrige Bilder an der Wand eines Barbiers, dicker, schwarzer Rauch, der aus einem Schornstein qualmt.
Fred Herzog wertet nicht. Er dokumentiert in seinen Stadtporträts mit Liebe zum Detail den menschlichen, oft übersehenen und unscheinbaren Alltag, der auf überraschende Weise fesselt.
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