
Das ist nicht meine Börse!
von Wilma Fasola
- 10. Juli 2017
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Es gibt gute Gründe, warum Firmen wie Uber, Airbnb & Co. nicht an die Börse wollen. Medien nennen sie «Unicorns» – junge erfolgreiche Start-ups, die trotz grosser Nachfrage nicht an die Börse wollen. Doch warum weigern sie sich?
Nicht nur der norwegische Staatsfonds wartet darauf, auch unzählige Anleger hoffen, dass das Unternehmen Uber endlich an die Börse geht. Mit einer Bewertung von rund 70 Milliarden Dollar wäre ein kleiner Anteil am Konzern in Form einer Aktie eben im wahrsten Sinne des Wortes bereichernd. Doch der Gründer und Inhaber des Taxidienstes, Travis Kalanick, weigert sich – konstant und ausdauernd. Gleiches gilt für die Inhaber von Airbnb und Pinterest. Und auch rund 150 weitere Unternehmen weltweit, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden, wollen nichts von einem Börsengang wissen. Die Finanzwelt spricht hier vom sogenannten «Unicorn-Club», und das Gros der Mitglieder hat seinen Sitz im Silicon Valley. Allen gemein: Ihre Strategie basiert auf digitalem Zugang, und alle finanzieren sich über Investoren und Wagniskapitalgeber.
Keinen Bock auf Kontrolle
Auf Nachfrage bei Uber-Chef Travis Kalanick, warum und wieso er keine Lust auf das offizielle Finanzparkett hat, antwortete er einmal: «Eines Tages wird es so weit sein – kurz bevor die Mitarbeiter und ihre Lebensgefährten mit Mistgabeln und Waffen mein Büro stürmen.» Übersetzt bedeutet dies: Ich bin doch nicht lebensmüde, und lasst mich endlich mit dieser Frage in Ruhe. Daher muss man spekulieren, doch wer den Kalifornier kennt, weiss, dass er ungern über harte Fakten spricht. Und ein Börsengang bedeutet, dass man Einblick in die laufenden Geschäfte geben muss. Detailliert und ehrlich zumindest. Das würde nämlich bedeuten, dass schwarz auf weiss belegt wäre, dass On-Demand-Geschäftsmodelle, bei denen Kunden nur bei Bedarf aktiv werden, gar nicht so rentabel sind, wie es nach aussen scheint. Der Blick hinter die Kulissen zeigt: Uber zeichnet riesige Verluste. Diese wurden von Bloomberg im ersten Halbjahr 2016 auf rund 1,27 Milliarden Dollar geschätzt. Und die Experten sind sich sicher, dass sich die Idee hinter dem Unternehmen erst auszahlt, wenn es keine menschlichen Fahrer mehr braucht.
Zudem hat man einfach keine Lust darauf, sich reinreden zu lassen, und noch weniger will man alle drei Monate Geschäftsberichte präsentieren und Geld auf die Seite packen müssen, das bei juristischen Auseinandersetzungen gebraucht wird. Und die gibt es unter den Einhörnern zur Genüge. Airbnb hat ständig Streit, und Uber muss nahezu täglich irgendetwas wieder geraderücken. Man will tun, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Und das eben so lange, wie es möglich ist. Dennoch lassen sich die Aktienjäger nicht abhalten und versuchen nun auf anderen Wegen an Anteile der Einhörner zu kommen. Denn neben Inhaber und Investoren gibt es noch eine dritte Gruppe, die Aktien von Uber, Airbnb & Co. besitzen: die Mitarbeiter. Ein Gros hat diese als Anerkennung und Bonus erhalten. Ihnen werden nun lukrative Angebote von Externen unterbreitet. Und das ruft die Chefs auf den Plan. Jüngst hat Airbnb-Finanzchef Laurent Tosi diese als «Widerlinge» bezeichnet, die sich durch Diebstahl am Gold-/Geldregen bereichern wollen. Parallel warnt man – ähnlich wie Uber – die Mitarbeiter schriftlich über Konsequenzen und bietet unternehmensinterne Rückkaufprogramme an. Die gebotenen Summen jedoch liegen meist weit unter dem externen Angebot, sodass die unter Zugzwang stehenden Mitarbeiter dennoch auf den Deal eingehen und verkaufen. Denn viele von ihnen sind knapp bei Kasse, was ebenfalls einiges zu den Geschäftspraktiken der Einhörner aussagt.
Pionier auf dem Schweizer Markt
Auch die Schweiz hat übrigens seit etwa einem Jahr ein Mitglied im Einhörner-Club. Mindmaze hat Anfang 2016 weniger als ein Drittel seiner Anteile verkauft, dafür aber eine Milliarde Dollar kassiert. Teilhaber ist nun die indische Hinduja Group. Spezialisiert auf Medizinaltechnik, basiert der Erfolg des im Welschland ansässigen Unternehmens auf einer an der ETH Lausanne entwickelten Echtzeit-Virtual-Reality-Technologie. Diese wird für die motorische Rehabilitation nach einer Hirnverletzung oder einem Hirnschlag genutzt und kann bereits während der Bettlägerigkeit und vor allem ohne dringende Präsenz einer Pflegekraft eingesetzt werden. Besonders Letzteres ist mit Blick auf den Mangel an Personal in der Branche ein echter Wettbewerbsvorteil.
Hinter Mindmaze steckt der indische Elektroingenieur Tej Tadi, der mehr aus Zufall als aus Kalkül in die Schweiz kam. Er forschte damals an einer Brennstoffzelle, mit der nur wenige Menschen und eben auch ein Professor in Lausanne arbeiteten. Folgend absolvierte er einen Master in Virtual Reality und Computer-Grafik und begann das Doktorat im Labor für Kognitive Neurowissenschaft. Mindmaze selber ist heute gut vier Jahre alt, und Gründer Tadi hat grosse Ziele. So sagte er einmal den Medien: «Mindmaze will die führende neuro-medizinische Gerätefirma der Welt werden.» Aktuell beschäftigt man rund 52 Mitarbeiter an drei Standorten (Lausanne, San Francisco und Zürich). Und die Zukunft ist vielversprechend. Mit weltweit 15 Millionen Hirnschlag-Patienten ist der Bedarf an derartiger Technologie dringend erforderlich. Und Neu-Mitinhaber Hinduja plant sie zudem auch in anderen Bereichen einzusetzen, beispielsweise in Games und im Rahmen von militärischen Technologien.
Es geht eben nicht immer gut
Einmal Einhorn, immer Einhorn gilt jedoch nicht für alle Mitglieder im Club. Denn jüngst hat Snapchat, die sich neu nur noch Snap nennen, verlauten lassen, dass 2017 der Börsengang ansteht. Dafür kann man dem Instant-Messaging-Dienst also viel Glück wünschen. Denn nur wenige Unicorns haben sich bislang auf dem Börsenparkett behaupten können. Zu einschneidend ist am Ende die öffentliche Prüfung. Prominenter Verlierer ist hier zum Beispiel Twitter. Furios im Jahr 2013 gestartet, da innerhalb weniger Stunden nach Aktienausgabe der Kurs von 26 Dollar pro Aktie auf bis zu 50 Dollar anstieg, gibt es heute noch rund 16 Dollar pro Anteilsschein. Zudem schreibt der Kurznachrichtendienst bis heute Verluste. Es darf daher abzuwarten sein, wie lange sich die Anteilseigner das gefallen lassen. Und dass aktuell sogar Experten vor einem Kauf warnen, lässt ahnen, dass man eventuell sein Horn verloren und sich in die Gattung abgehalfterter Gäule eingereiht hat.
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