
Das Auto. Punkt.
Text: Wilma Fasola
- 11. Juli 2018
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Einige sprechen vom Inbegriff Amerikas, für andere ist er einfach die schönste mobile Heckflosse der Welt. Fakt ist: Wohl kein anderes Auto hat mehr Rock ʼnʼ Roll im Tank als der Cadillac.
Zugegeben, er sieht auch heute noch ganz gut aus. Doch mit den Modellen aus den 1950er und 1960er Jahren hat der Cadillac der Neuzeit nicht mehr viel gemein. Schade, denn die oft in auffälligen Farben lackierten strassentauglichen Schiffe sind echte Hingucker. Besonders die markante Heckflosse sticht ins Auge, und so verkörpert auch kein Wagen mehr den amerikanischen Traum wie der Cadillac. Dass der Wagen parallel zum Sinnbild des Rock ʼnʼ Roll wurde, ist dabei sicher Elvis zu verdanken. Sein pinker Cadillac Fleetwood aus dem Jahr 1955 ist und bleibt unvergessen. Vor allem auch, weil es ein Geschenk an seine Mama war. Auf der anderen Seite sorgt auch jeder andere historische Cadillac für gute Laune. Und dabei war das Unternehmen im Grunde schon zweimal pleite.
Vor dem Erfolg kommt das Scheitern
Wir schreiben das Jahr 1899. Henry Ford gründet die Detroit Automobile Company und fährt das Unternehmen bereits zwei Jahre später an die Wand. Auch eine Umbenennung in Henry Ford Company macht das Projekt nicht erfolgreicher, und der Gründer wird im hohen Bogen aus dem Geschäft katapultiert. Doch aufgeben kommt für Henry F. nicht infrage, und er nimmt mit der Ford Motor Company einen dritten Versuch in Angriff. Warum es diesmal klappt, bleibt bis heute offen. Und warum es bis heute gut funktioniert, liegt sicher an den soliden Modellen des Konzerns. Parallel hat Henry Ford dafür gesorgt, dass Detroit zu der Autostadt überhaupt wurde. Wobei man fairerweise erwähnen muss, dass das nicht bis ins Heute Bestand hatte.
Doch darum geht es an dieser Stelle nicht. Vielmehr befassen wir uns mit Henry Fords zweitem Versuch. Nach seinem Abflug übernahm Namenszwilling Henry Martyn Leland die Henry Ford Company. Erste Amtshandlung des neuen Chefs: die Umbenennung in Cadillac. Damit huldigte er Antoine Laumet de la Mothe, der Anfang des 18. Jahrhunderts die Stadt Detroit gründete und ein bisschen eigensinnig seinem Namen, basierend auf seinem Heimatdorf, den Zusatz «Monsieur aus Cadillac» anhängt hatte. Und unter Leland wurde Cadillac zu dem US-Automobil-Star überhaupt. Dass er später mit der Gründung der Marke Lincoln seinen heute stärksten Konkurrenten ins Leben rief, konnte er ja nicht ahnen.
Es braucht neue Wege für den Erfolg
Aber erst einmal zurück in die Vorkriegsjahre. Wer ein Unternehmen übernimmt, das kurz vor dem Bankrott steht, muss erst einmal Gelder zusammenbringen. Doch Engpässe bei der Produktion und fehlende Qualität machten Cadillac nicht wirklich zu einer attraktiven Marke. Das Model D, 1905 auf den Markt gebracht, brachte zudem keinen Fortschritt. Der Vierzylinder war ein Rohrkrepierer. Die Entwickler mussten nachsitzen und investierten in einen zweiten Entwurf, den sie Cadillac Thirty tauften. Im August 1908 lanciert und mit Innovationen im Produktionsprozess einhergehend, steigerte das Modell Menge und Qualität. Viel wichtiger aber war, dass man den Verkaufspreis um 50 Prozent senken und den 30er für 1400 Dollar an Mann und Frau bringen konnte. Der zusätzlich eingebaute elektrische Anlasser machte den Thirty noch attraktiver, und bis 1914 wurden 65ʼ000 Wagen abgesetzt. Man sah Licht am Ende des Tunnels und nutzte den positiven Antrieb, um am Ball zu bleiben.
Der Erfolg blieb dabei natürlich auch nicht den Führenden der Branche verborgen. Wobei wir in diesem Fall konkret von William Durant sprechen. Der gute Mann war ein Schlitzohr mit einer Antenne für zukünftig treffsichere Geheimwaffen. Schon 1904 hatte er sich die Marke Buick einverleibt. Weiter folgten Olds, Oakland und weitere Zulieferer. Das Ganze bündelte er unter dem Titel «General Motors» und profitierte dabei vom Know-how, das die gekauften Firmen mitbrachten. Klar, dass Cadillac ebenfalls in sein Radar und nach einigen Verhandlungen auch in seinen Besitz geriet. Die gezahlte Summe wird dabei irgendwo zwischen 4,5 und 5,6 Millionen US-Dollar angeordnet, der gezahlte Preis ist bis heute ein Geheimnis.
Kurz darauf versuchte sich Cadillac in der Disziplin «Achtzylinder» und verbaute den starken Motor damit als erster Konzern in Form einer Grossserie. Aus 5,1 Liter Hubraum konnten so 70 PS gewonnen werden, was bis zum Jahr 1924 sogar auf 83 PS gesteigert wurde. Überzeugend war dabei vor allem die Laufruhe des Wagens, und am Ende setzte Cadillac 200ʼ000 Achtzylinder ab. Nicht wenige Exemplare wurden dabei vom Militär im Weltkrieg genutzt. Etwas, was sowohl William Durant wie auch Henry Ford nicht ins persönliche Bild passte. Und für Henry Leland war es regelrecht Vaterlandsverrat. Daher nahm er Sohn und Know-how, setzte sich ab und gründete ein neues Unternehmen: die Lincoln Motor Company. Zunächst erfolgreich, ging aber auch die im Jahr 1922 an Henry Ford über. Und der heute stärkste Marken-Konkurrent zu Cadillac fand ein sicheres Zuhause.
Provokation muss sein, um zu bleiben
Situationen und Empfindlichkeiten zum Trotz haute Cadillac in den kommenden Jahren echte Knaller raus. So war der V16 eine echte Provokation. Aber eine, die funktionierte. Dass einen der Wagen um 6000 bis 10ʼ000 Dollar erleichterte und rund 30 Liter pro hundert Kilometer gebraucht wurden, war Nebensache. Haben-wollen, so lautete die Devise. Und kaum war der Krieg vorbei, folgte die nächste Herausforderung in Richtung Mitkonkurrenten. Denn die heute so geliebte und bekannte Heckflosse hat ihren Ursprung im Lockheed P38, einem Kampfflugzeug. Dennoch fand das Modell reissenden Absatz. Etwas, was auch nach dem Krieg weiterging und darin gipfelte, dass man dem Präsidenten einen fahrbaren Untersatz lieferte und erstmals Lincoln als den Konkurrenten überhaupt wahrnahm.
Das Prinzip «Wenn nicht ich, dann du.» gilt dabei übrigens bis heute. So nutzte Roosevelt beide Marken. Truman und Eisenhower entschieden sich einstimmig für Cadillac. Kennedy, Nixon, Ford, Carter und der Bush Senior aber liebten den Lincoln. Bush Junior, Clinton und Obama bevorzugten jedoch wieder Cadillac. Und der Trump. Ja der Frisurenpapst wartet aktuell immer noch auf seine eigene Cadillac-Version, die irgendwie nicht fertig wird. Bis dahin fährt er den als «Cadillac Number One» oder auch «The Beast» bekannten Wagen von Obama auf. Und der wird auch bei Staatsbesuchen eingeflogen.
Alt ist beim Cadillac ein Kaufgrund
Die Marke Cadillac im 21. Jahrhundert bietet wie mittlerweile alle Unternehmen vom Coupé, über die Limousine bis hin zum Crossover und SUV alles an. Anders geht es auch gar nicht mehr. Das markante Design und Dinge wie die Heckflosse sind leider auf der Strecke geblieben. Ein Fakt, der eine Zeitreise in die Vergangenheit besonders wertvoll macht. Und der für den Kauf eines Oldies spricht. Durchschnittlich will man rund 30ʼ000 Franken für einen Oldie, für rare Exemplare werden aber durchaus auch Preise im hohen sechsstelligen Bereich verlangt. Und je nach Zustand und der Einwilligung, selber Hand anzulegen, gibt es den amerikanischen Traum auch schon für wenige tausend Franken. Daher: einfach mal drüber nachdenken. Denn einen gutaussehenden Begleiter kann jeder gebrauchen. Vor allem einen, der Geschichten erzählt. Und keine US-Marke tut das mehr als Cadillac. Punkt. Punkt. Punkt.
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