
Courchevel à la carte
- 11. Dezember 2019
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Zusammen mit Méribel und Val Thorens bildet Courchevel das Zentrum der legendären Trois Vallées im Département Savoie – der mit mehr als 600 Pistenkilometern und über 180 Liftanlagen grössten zusammenhängenden Skiarena der Welt. Doch auch für Gourmets ist das mondäne «Saint-Tropez der Alpen» mit alleine sieben Sternerestaurants ein lohnendes Ziel.
Schliesslich hat das am Reissbrett entstandene Luxusresort vor der atemberaubenden Kulisse des Mont Blanc und der Grande Casse, angelegt nach Entwürfen des in seiner Heimat höchst umstrittenen Architekten und Stadtplaners Laurent Chappis, mit seinen heute sechs Ortsteilen – der exklusivste und teuerste davon Courchevel 1850 – mehr als 120 Restaurants zu bieten. Von der urigen Fonduestube bis zum Drei-Sterne-Restaurant.
Die erste Adresse von Courchevel – zumindest kulinarisch – ist das 2008 eröffnete «Le 1947» unter der Ägide von Küchenlegende Yannick Alléno. Standesgemäss residiert es im vielleicht besten Haus am Platz, dem zur LVMH-Gruppe zählenden Ultra-Luxus-Hotel «Cheval Blanc». Wer es sich leisten kann, in den grade mal 36 traumhaften Zimmern und Suiten abzusteigen – alle bis ins kleinste Detail durchgestylte Unikate –, hat es geschafft.
Benannt nach dem seit Menschengedenken grössten Jahrgang des gleichnamigen Ausnahme-Bordeaux aus Saint-Émilion verwöhnt Küchenchef Gérard Barbin – während des Sommers rechte Hand und Executive Souschef in Allénos Pariser Drei-Sterne-Gourmettempel «Pavillon Ledoyen» – im «Le 1947» Feinschmecker mit exklusiven Gaumenfreuden auf Weltklasseniveau. Dabei gelingt der Küche Saison um Saison ein ebenso beeindruckender wie stimmiger Spagat zwischen kulinarischer Avantgarde und Wohlfühlküche mit lokalen Bezügen.
Natürlich können Gäste des «Le 1947» den Mythen-umrankten Jahrhundertwein auf Wunsch auch als exklusiven Menübegleiter wählen. Allerdings belastet eine Magnumflasche des kostbaren Elixiers das Genussbudget mit atemberaubenden 127ʼ000 Euro. Aber hey – schliesslich sind wir in Courchevel. Über Geld spricht man hier nicht, man hat es. Und zur Not lässt sich Cheval Blanc im «Le 1947» dank Coravin Winesaver auch glasweise ordern. Oder man entscheidet sich schlicht für eine Flasche aus einem der weniger prestigeträchtigen Jahrgänge. Die gibt es schon zum Preis eines gebrauchten Kleinwagens.
Dabei haben noch vor 60 Jahren während der kurzen, hochalpinen Sommer an den steilen Hängen rund um Courchevel allenfalls ein paar Schafe gegrast. Aber mit dem mittlerweile in zahlreichen Ski-Resorts rund um den Globus kopierten Konzept des Ski in/Ski out, das heisst mit Hotels, die direkt an die Pisten gebaut wurden, und einem belebten Zentrum, an dem sich die wichtigsten Loipen kreuzen, entwickelte sich Courchevel innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem der schillerndsten Wintersportorte der Welt. Den endgültigen Durchbruch brachte dann die Winterolympiade 1992 im nahe gelegenen Albertville.
Rund 45 Hotels – darunter nicht weniger als 20 Fünf-Sterne-Herbergen, von denen sich drei, wie auch das «Cheval Blanc», mit dem prestigeträchtigen Label «Palace» schmücken dürfen, hat der Ort heute zu bieten. Darüber hinaus unzählige Luxus-Chalets. Doch zurück ins «Le 1947», über dem seit 2017 drei Michelin-Sterne leuchten und das im Gault Millau parallel dazu mit der Traumnote von 19,5 Punkten geführt wird. Damit also höchste kulinarische Weihen geniesst.
Das minimalistische Setting des Restaurants, das maximal 22 Gästen Platz bietet, trägt die Handschrift von Frankreichs Interior-Design-Ikone Sybille de Margerie und wirkt wie eine ins «Star Trek»-Zeitalter gebeamte Filmkulisse aus einem 60er-Jahre-James-Bond-Streifen à la «Goldfinger». (Apropos James Bond – auf dem spektakulären Altiport von Courchevel mit seinem grade mal 537 Meter langen, steil abfallenden Runway wurden tatsächlich schon Action-Szenen für die Bondfilme «Tomorrow never dies» und «Golden Eye» gedreht.) In der offenen Küche wuseln dabei fast so viele Köche, wie Gäste an den sechs weissen, mit feinstem Leder bespannten Tischen Platz finden, die unter kleinen Kuppeln arrangiert sind, sodass fast eine Art Kokon-Feeling entsteht.
Beim Betreten des Restaurants lädt Chef Barbin seine Gäste zunächst zu einem kleinen Küchenrundgang ein und präsentiert dabei, nicht ohne Stolz, den mit Holzkohle befeuerten Grill, zieht aus versteckten Kabinetten Einmachgläser hervor und lässt neugierige Feinschmecker an fermentiertem Waldboden, in der Umgebung gesammelten Wildkräutern, in Bienenwachs konservierten Trüffeln oder in Essig eingelegten Tannenspitzen schnuppern. Auf dem gewaltigen Herd köchelt derweil in einem Kupfer-gefassten Granittopf eine herrlich duftende Gemüsesuppe. Ein fast schon familiäres Ambiente.
Typisch für ein Restaurant, das die Handschrift von Yannick Alléno trägt, steht im Mittelpunkt des Menüs der ansonsten im Vergleich zu Vorspeisen und Zwischengerichten oft eher stiefmütterlich behandelte Hauptgang. Das heisst, Gäste werden gebeten, zunächst ihre «plats de résistance» zu wählen, der Rest des Menüs wird dann quasi darum herum komponiert. Extrawünsche? Kein Problem. Das Wörtchen «Nein» bekommen Gäste in Courchevel ohnehin nur selten zu hören.
Wir probieren neben Barbins Signature-Gericht – gedämpften Jacobsmuscheln, je nach Saison mit Kaviar oder schwarzen Trüffeln und einer himmlisch leichten bayrischen Creme kombiniert – unter anderem butterzartes Aveyron-Milchlamm mit einer hocharomatischen, ebenfalls mit Trüffeln verfeinerten «Sauce Moderne» und kandierten Zwiebeln, sowie saftigen, über Holzkohle gegrillten Hummer mit leichter Rauchnote, begleitet von einem intensiven Krustentierjus und Basilikum. Schliesslich ist der Meister ja nicht zuletzt für seine aromengewaltigen Saucen – die er selbst lieber als Extrakte bezeichnet – berühmt.
Deutlich bodenständiger, aber nicht minder hervorragend wird dagegen im mit einem Michelin-Stern bewerteten Restaurant «Le Farçon» unter der Ägide von Küchenchef Julien Machet, der die Liebe zum Kochen von seiner Grossmutter geerbt hat, im besonders bei britischen Wintersporturlaubern beliebten Ortsteil La Tania aufgekocht. Das kleine Lokal, das in einem von aussen eher anonym wirkenden Gebäudekomplex im Zentrum untergebracht ist, besticht mit einer von regionalen Zutaten inspirierten Aromenküche auf höchstem Niveau. Hier stehen allerdings nicht Luxusprodukte im Mittelpunkt, sondern Machets Fokus liegt auf perfekt ausbalancierten Tellerkunstwerken. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Besonders gerne experimentiert der Küchenchef mit Heu, das er für alle möglichen Kreationen einsetzt – vom Aperitif, verfeinert mit hausgemachtem Heusirup, bis zum Dessert. Die dazu offen ausgeschenkten Weine aus der Region Savoyen beweisen eindrucksvoll, dass es nicht immer die ganz grossen Etiketten sein müssen – im Gegenteil. Der elegante, fruchtbetonte Pinot Noir des Weinguts Ravier präsentiert sich zum Beispiel als geradezu perfekter Begleiter eines saftigen Kalbsfilets mit feinen Röstzwiebeln.
Apropos Geheimtipps. Von denen hat auch Marina Silina jede Menge auf Lager. Die gebürtige Russin, die es vor vielen Jahren nach Courchevel verschlagen hat, gebietet über den vielleicht kleinsten Weinladen der Welt – «Les Perles du Palais». Auf gerade mal 13 Quadratmetern offeriert Marina in der Rue de la Croisette ihren Kunden handverlesene Tropfen, darunter zahlreiche Bio-Weine, sowie charakterstarke spontan vergorene Kreszenzen, sprich Orange-Wein. Dass Marina, bevor sie ihre Liebe zum Rebensaft entdeckte, mit Trouvaillen ganz anderer Art Handel getrieben hat, verraten heute nur noch die beiden eindrucksvollen lupenreinen Brillanten, die an ihren Ohrläppchen blitzen. Längst geniesst ihr winziger Laden Kultstatus und gilt vielen Courchevel-Fans als Institution. Manche ihrer wohlhabenden Kunden geben Marina zum Saisonauftakt gar eine Carte blanche und überlassen ihr vertrauensvoll die Aufgabe, den heimischen Weinkeller im privaten Chalet für den Winter neu aufzufüllen.
Nur einen Steinwurf entfernt in der Rue des Verdons betreibt Antoine Petitcolas mit seiner Weinboutique «Le Baricou» das Gegenstück zu Marinas Weinkabinett, denn Antoines Spezialität sind Grossflaschen der Spitzenweingüter aus Bordeaux sowie exklusive Burgunder und handverlesene Champagner, die, selbst wenn man über ein entsprechendes Budget verfügt, nur schwer aufzutreiben sind. Und auch wenn Antoine zahlreiche Flaschen mit vierstelligem Preisschild im Portfolio führt, wirkt sein Laden ebenso bescheiden und bodenständig wie der von Marina. Diese durchaus sympathische Mischung aus Bodenständigkeit und Luxus ist auch für viele Hotels in Courchevel typisch.
Kaum ein Haus hat mehr als 40 oder 50 Zimmer, die meisten sind im Chalet-Stil erbaut. Deshalb hebt sich Courchevel auch wohltuend von vielen anderen Retortenresorts der französischen Alpen mit ihren Betonbettenburgen ab. Trotzdem gibt es leider, anders als in den frühen Jahren, zunehmend weniger familiengeführte Hotels – eines der letzten ist das Fünf-Sterne-Haus «Annapurna», das von der Schwester von Skilegende Alexis Pinturault geleitet wird. Grossgeschieben wird in allen Häusern dabei vor allem das Thema Service. Kein Kundenwunsch bleibt unerfüllt, die Gast/Mitarbeiter-Ratio ist für europäische Verhältnisse atemberaubend, ja erinnert eher an Asien, was in Verbindung mit der Tatsache, dass Courchevel im Sommer faktisch eine Geisterstadt ist, der komplette Jahresumsatz also in der nur vier Monate dauernden Wintersaison gemacht werden muss, dazu führt, dass der Ort zu den teuersten Destinationen der Welt zählt. Es gibt zwar auch günstigere Adressen, aber ein reguläres Doppelzimmer in einem Fünf-Sterne-Resort in Courchevel 1850 kann locker mit 1000 Euro pro Nacht zu Buche schlagen. Nach oben gibt es ohnehin keine Grenzen.
Zu den schönsten Hotels in Courchevel zählen, neben dem «Cheval Blanc», das zur Oetker-Collection zählende «LʼApogée» und das «Aman Le Mélézin». Gleichzeitig wetteifern die beiden Luxushotels kulinarisch um das beste japanische Restaurant des Wintersportparadieses. Während man im schicken «Koori» – Japanisch für «Eis» – des «LʼApogée» unter der Ägide von Jean-Luc Lefrançois dabei eher auf Fusionküche setzt, bietet das minimalistische «Nama», was auf Japanisch so viel wie «roh» bedeutet, authentische Washoku-Küche, deren Ziel es ist, die jeweilige Essenz der verwendeten Zutaten herauszukitzeln und für eine vollendete Harmonie von Präsentation und Aromen zu sorgen. Einen Besuch wert sind beide. Guten Appetit!
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