Aufstieg und Fall der Vanderbilts
- 11. April 2016
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Einige Anwesen stehen noch und zeugen von dem Geist des «Gilded Age» in Nordamerika. Heute gehören sie anderen und sind doch Denkmäler einer Familie aus New York, die von nichts aus alles erreichte, um fast alles zu verlieren. Es sind die Häuser der Vanderbilts, den Kindern und Enkeln des «Commodore» Cornelius Vanderbilt (1794–1877), deren ererbter Reichtum noch heute die Vorstellungskraft übertrifft. Ihre Geschichte beginnt, als sich 1650 Jan Aerton dazu entschliesst, das Dorf Bilt in Utrecht zu verlassen, um in der Neuen Welt sein Glück zu suchen. Für die Überfahrt bezahlt er mit seiner Freiheit. Sieben Jahre arbeitet er als Vertragsknecht, danach lässt er sich in Staten Island nieder. Rund 160?Jahre später übernimmt sein Ur-Ur-Enkel Cornelius Vanderbilt ein kleines Fährschiff, für das er mit einem Kredit seiner Mutter bezahlt. So stolz steht der junge Mann im Wind, wenn er seine Passagiere und Fracht von Staten Island nach Manhattan transportiert, dass ihn die anderen Fährschiffer «Commodore» rufen. Er ist 16?Jahre alt, hat sein eigenes Schiff und ist ehrgeizig – unendlich ehrgeizig.
Der Gordische Knoten
Nicht viel später hat er seinen ersten Schoner im Dienst und arbeitet für Thomas Gibbon, während seine eigenen Fähren weiterhin Menschen und Waren nach und von Manhattan bringen. Gibbon ist weiter. Seine Dampfschiffe bedienen die Inseln um New York und Cornelius steigt schnell vom Kapitän zum Leiter des Unternehmens auf. Was folgt, ist nicht weniger als ein Lehrstück für eine Zeit, in der der Markt noch ungebändigt funktioniert. Und es sind Gibbon und Vanderbilt, die dessen Zügel im Transportgeschäft am 2.?März 1824 zerschlagen. Robert R. Livingston und Robert Fulton erwirken 1808 die Lizenz für den Bootsverkehr im Staat New York. Nach dem Tod der beiden übernimmt der Senator Aaron Odgen das Monopol. Da Gibbon dennoch die Linie Elizabethtown-New York City bedient, kommt es zum Rechtsstreit und in den Nonen des März fällt der U.S. Supreme Court die Grundsatzentscheidung, dass interstaatlicher Handel, der von der U.S.-Verfassung garantiert ist, nicht durch Landesgesetze beschränkt werden darf. Das Transportgeschäft wird so eine offenen Spielfläche für den Markt und der «Commodore» sein «Big Player».
Der unaufhaltsame Aufstieg des «Commodore»
Gibbon stirbt 1826, doch Cornelius Vanderbilt verlässt erst 1829 dessen Firma. Er hat nun Erfahrungen in dem grossen Unternehmen gesammelt und ist auf dem Weg zu Grösserem. Er übernimmt Wettbewerber und vergrössert seine Flotte und seine Linien stetig. Konkurrenz unterbietet er so lange auf deren Linien, bis sie aufgeben müssen oder ihm Geld zahlen, damit er aufhört. Doch die Gewässer um New York sind ihm bald zu klein; er setzt auf die Eisenbahn. Mit seinen finanziellen Einnahmen aus dem Fährgeschäft kann er auch hier aggressiv expandieren. Wieder unterbietet er die Preise bis zur Übernahme und erobert sich so Transportwege auf den Schienen. Als der Goldrausch die Massen nach Kalifornien zieht, transportiert er sie nach Nicaragua, später weiter an den Pazifik und bis nach Kalifornien. Als ihm der Hasardeur William Walter mit dessen Staatsstreich in die Quere kommt, sendet «Cornelius» humorlos einen Expeditionstrupp aus, um seine Schiffe freizuschiessen.
Bis zu seinem Tod 1877 hat der «Commodore» sich das grösste Eisenbahnnetz an der Ostküste angeeignet, viel Land in und um New York erworben und seine Schiffslinien aufgegeben. Mit der Übernahme der «Harlem Railroad» durch einen «stockmarket corner» hat er 1863 die einzige Zugverbindung nach Manhattan in Händen sowie den Bahnhof in der Stadt, den heutigen «Grand Central Terminal». Sein ältester Sohn und späterer Erbe «Billy» William Henry führt und übernimmt die Firma bis zu seinem frühen Tod 1885. Er verdoppelt den Reichtum seines Vaters in nur acht Jahren auf 200 Millionen USD. Nach dem Tod Williams übernehmen dessen Söhne Cornelius Vanderbilt II. und William Kissam, doch ist von nun an das Vermögen der Familie geteilt und es wird sich weiter und weiter teilen. «Jeder Idiot kann ein Vermögen machen», soll der «Commodore» gesagt haben, «aber es braucht einen Menschen mit Verstand, um es zu behalten.»
Der Fall der Vanderbilts
Die Vanderbilts waren eine der reichsten Familien der Geschichte. Schon die Kinder von Cornelius Vanderbilt beginnen, sich prachtvoll synkretistische Paläste zu bauen, die heute als «National Historic Landmarks» gelten. Seine Ur-Enkel repräsentieren das «Gilded Age» wie keine zweite Familie. Sie stehen im Zentrum der High Society, feiern berauschende Feste, reiten, fahren Autorennen und sammeln Kunst. Neben den daraus resultierenden Ausgaben treten sie als grosse Spender auf, doch geht in den 20er Jahren des 20.?Jhd. die Zeit der Eisenbahn vorbei. Nach und nach schrumpft der – selbst geteilt noch – gigantische Reichtum und die Häuser müssen nach und nach verkauft werden. Schon 1947 steht keines ihrer Anwesen in NYC mehr. Mit dem Konkurs der «New York Central Railway» 1968 endet die Betätigung der Vanderbilts im Transportwesen endgültig.
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