An Bord des «Pride of Africa» von Kapstadt nach Dar es Salaam
- 18. Oktober 2016
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Eine Reise mit Rovos Rail durch das schwarze Herz Afrikas zählt zu den letzten grossen Schienenabenteuern. In 15 Tagen durchquert der legendäre Luxuszug dabei den halben Kontinent – vom Kap der Guten Hoffnung bis zu den tropischen Küsten des Indischen Ozeans. Schon als junges Mädchen träumte meine Mutter davon, Schwarzafrika zu bereisen. Sie verschlang Expeditionsberichte und schlich sich sonntags heimlich in die 11-Uhr-Matinee, um ihren Helden auf deren Forschungsreisen durch die Subsahara-Region nahe zu sein – wenn auch nur auf der Leinwand. Meine Grosseltern waren vom unstillbaren Hunger ihrer Tochter nach Abenteuergeschichten allerdings wenig begeistert. Als die ganze Sache eines Tages aufflog, verordneten sie deshalb ein Leseverbot für einschlägige Druckerzeugnisse, und die kleine Liselotte durfte statt des Hochamts künftig nur noch die Frühmette besuchen. Und so ist meine eigene Reise im «Pride of Africa» eine kleine Verbeugung vor dem bis heute unerfüllten Herzenswunsch meiner Mutter.
Aus einem Hobby entstanden
Die vor uns liegende Schienensafari führt durch fünf Länder: von Südafrikas brodelnder Küstenmetropole Kapstadt über Johannesburg nach Pretoria und weiter in Botswanas Hauptstadt Gaborone. Danach geht es durch die Ausläufer der Kalahari hinüber nach Simbabwe zu den weltberühmten Victoria-Fällen, wo der Zug die Grenze zu Sambia überquert, bis er schliesslich fast auf Äquatorhöhe bei Tansanias Kapitale Dar es Salaam den Indischen Ozean erreicht: eine Strecke von mehr als 6000?Kilometern.
Der Mann, der dies möglich macht, heisst Rohan Vos. Ende der 1980er-Jahre erwarb der südafrikanische Unternehmer ein paar ausrangierte Eisenbahnwaggons. Ursprünglich gedacht, um damit private Urlaubsfahrten zu unternehmen, musste Vos sich bald eingestehen, dass die Kosten aus dem Ruder zu laufen drohten, und beschloss deshalb, aus dem extravaganten Hobby ein Business zu machen – die Geburtsstunde einer Legende: Rovos Rail. Heute, über ein Vierteljahrhundert später, ist Vos Besitzer von rund 90 liebevoll restaurierten Waggons und mehr als einem Dutzend Lokomotiven.
Ausgangspunkt unserer Reise ist Bahnsteig 24 der Cape Town Railway Station, wo eine flinke Pagenschar das Gepäck bereits in einer der 35 mahagonivertäfelten, bis zu 16?Quadratmeter grossen Suiten verstaut hat. Wir selbst werden währenddessen in der privaten Rovos Rail Lounge in No.?1 Adderley Street schräg gegenüber von Rohan Vos persönlich begrüsst – Streicherduett, Häppchen und Kapsekt inklusive.
Das gesellschaftliche Leben an Bord des «Pride of Africa» spielt sich in den mitreisenden Salon- und Panoramawagen inklusive Bar und Aussichtsplattform am Ende des Zuges ab. Im vorderen Drittel des fast 500?Meter langen Lindwurms gibt es ausserdem zwei elegante Speisewagen.
Wild Africa
Entlang der Strecke sind mehrere Stopps eingeplant – darunter drei Übernachtungen in Wildreservaten und Nationalparks. Höhepunkt der Reise aber ist der Besuch der Victoria-Fälle auf etwa halber Strecke. Und für die lässt sich der «Pride of Africa» jede Menge Zeit, denn selbst auf dem vergleichsweise gut ausgebauten Schienennetz Südafrikas erreicht der Zug kaum mehr als 60 Stundenkilometer. Auf den maroden Bahngleisen in Simbabwe und Sambia schleicht er dagegen teilweise mit gerade mal 20?km?/?h durch die Savanne. Das gemächliche Tempo lässt uns genügend Zeit, die vorüberziehende Landschaft auf Herz und Seele wirken zu lassen.
Nach einem ersten Stopp in dem winzigen Örtchen Matjiesfontain, dessen viktorianische Silhouette in der menschenleeren Halbwüste der Grossen Karoo wie eine Fata Morgana am Horizont auftaucht, oder der nicht minder pittoresken Diamantenmetropole Kimberley steht als erster Höhepunkt der Besuch von Rovos Rails privatem Museumsbahnhof Capital Park bei Pretoria auf dem Programm. Hier erleben Fans jede Menge Eisenbahnromantik.
Am nächsten Morgen nähern wir uns der Grenze Botswanas, dem «echten Afrika». Im Grenzgebiet macht der Zug erst einmal zwei Tage Rast. Das gibt uns Gelegenheit, im nahe gelegenen Madikwe-Reservat auf Safari zu gehen. Hier haben in den 1990er-Jahren im Rahmen des weltgrössten Umsiedlungsprogramms mehr als 10’000?Wildtiere eine neue Heimat gefunden. Mit ein wenig Glück begegnet man den Big five dort hautnah. Wir gehören zu diesen Glückspilzen und können uns an all den Elefanten, Gnus, Antilopen, Büffeln, Nashörnern und Krokodilen, denen wir auf mehreren Pirschfahrten begegnen, kaum sattsehen.
Nur wenige Kilometer von der Madikwe Game Reserve entfernt geht es in Botswanas bunter, quirliger Hauptstadt Gaborone, die in den 1960er-Jahren am Reissbrett entworfen wurde und heute ein Weltzentrum des Diamantenhandels ist, wieder zurück an Bord des «Pride of Africa». Jenseits der Stadtgrenzen werden die Zeichen der Zivilisation immer rarer. Kein Wunder, durchquert unser rollendes 5-Sterne-Hotel in den nächsten 48?Stunden doch den Randbereich der Kalahari-Wüste, bevor wir schliesslich im Grenzgebiet von Simbabwe und Sambia die Victoria-Fälle erreichen. Halbzeit.
Donnernder Rauch
Die Einheimischen nennen die mehr als 1,7?Kilometer breite Wasserwand, über die der mächtige Sambesi hier rund 110?Meter in die Tiefe stürzt, Mosi-oa-Tunya – donnernder Rauch. Und tatsächlich sind die bis zu 300?Meter hoch aufsteigenden Gischt-Wolken der grössten Wasserfälle der Erde, die David Livingstone 1855 als erster Europäer erblickte, schon aus circa 30?Kilometer Entfernung zu sehen – und zu hören. Der Dunstnebel lässt rund um die Fälle in der ansonsten eher kargen Savannenlandschaft sogar einen schmalen Streifen tropischen Regenwaldes erblühen. Wer mag, kann hier eine Nacht im weltberühmten Victoria Falls Hotel verbringen, wir anderen unternehmen lieber einen Ausflug in den nahe gelegenen Chobe-Nationalpark mit seinen riesigen Elefantenherden.
Doch der Fahrplan kennt kein Erbarmen, und am Spätnachmittag des nächsten Tages setzt sich der stählerne Koloss mit heiserem Ächzen und Stöhnen schon wieder in Bewegung und überrollt auf der Victoria-Falls-Brücke die Grenze zu Sambia. Von hier geht es auf museumsreifen Trassen aus der Kolonialzeit über das Batoka Plateau ins Landesinnere nach Lusaka, wo der «Pride of Africa» schliesslich auf die vergleichsweise moderne, 1800?Kilometer lange TaZaRa-Linie wechselt. Unsere Zielgerade sozusagen. Die wurde erst in den 1970er-Jahren erbaut und verbindet Sambia mit den Häfen an der afrikanischen Ostküste.
Auf einer einsamen Passhöhe erreicht der «Pride of Africa» am mittlerweile zwölften Tag unserer Schienenkreuzfahrt schliesslich die tansanische und damit letzte Landesgrenze. Vor einer dramatischen Bergkulisse taucht der Zug von hier über 300?Brücken und 23?Tunnel hinab ins Great Rift Valley, den grossen ostafrikanischen Grabenbruch, bevor er nach einem letzten Stopp im Selous-Reservat den Zielbahnhof in der Millionenmetropole Dar es Salaam erreicht – das Ende einer epischen Reise. Am liebsten würde ich von hier gleich wieder die Rückfahrt nach Kapstadt antreten, aber meine Mutter wartet schon gespannt darauf, alles über mein afrikanisches Abenteuer zu erfahren.
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