
Amour Fou: Fanny Elssler & Friedrich von Gentz
- 1. Dezember 2016
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Sie ist eine grazile und zarte Knospe. Liebliche 19 Jahre jung und naiv. Er eine fest verankerte, mit allen Wassern gewaschene, politisch hochdotierte und intelligente 65-jährige Eiche. Der «Sekretär Europas» und das zauberhafte Wesen sind eines der wohl schrägsten und einzigartigsten Liebespaare ihrer Zeit. Fanny Elssler und Friedrich von Gentz trennen 46?Jahre Altersunterschied, als er dieser bedingungslos verfällt. Vergessen all die amourösen Stelldicheins mit den Damen der Wiener Society, ausgeblendet das blasierte Verhalten des eleganten Mannes und engsten Beraters von Fürst Metternich, der beim Wiener Kongress bei den Debatten über die neuen Staatsgrenzen Europas die Tagesordnung bestimmt. Friedrich von Gentz (1764–1832) ist deutsch-österreichischer Schriftsteller, Staatsdenker, Politiker, ein Grandseigneur, luxuslüsterner Frauenheld, schamloser Zyniker, poetisch zärtlicher Liebhaber, verlässlicher Ratgeber für Politik und Wirtschaft, raffinierter Intrigant, treuer Freund und zügelloser Schuldenmacher.
Die Knospe öffnet sich
Fanny Elssler (1810–1884) wächst in einem von Musik dominierten Zuhause auf. Ihr Vater ist, genauso wie zuvor ihr Grossvater, Kammerdiener des Komponisten Joseph Haydn. Der musikalische Genius Haydns beflügelt auch die Schwestern Therese und Franziska, Fanny. Als nach dem Wiener Kongress 1815 das Tanzfieber in Österreich ausbricht und der Tanzmeister Horschelt ein Regiment von über 200 Mini-Ballerinen züchtet, das spätere Wiener Kinderballett, werden Therese und Fanny 1817 ebenfalls in die Ballettschule des Hoftheaters am Kärntnertor aufgenommen. Mit dem neapolitanischen Impresario Domenico Barbaja, der 1822 das Kärntnertor-Theater mietet, reisen Therese und Fanny nach Italien, ins Land der Gestik, Glut und Leidenschaft. In ihren Lehrjahren an der Mailänder Scala und am San Carlo in Neapel entwickelt Fanny ihren eigenen Tanzstil. Beseelt, ohne ungestüm zu sein; sinnlich, ohne lasziv zu wirken; frei und voller seelischer Wärme. Hinter der keuschen Biedermeierfassade ist Erotik erwacht.
Die Fee und der Ritter
Am 25. November 1829 sitzt Friedrich von Gentz in der Loge der Gräfin von Gallenberg im Kärntnertor-Theater. Der Diplomat ist kränklich und kurzsichtig. Doch der dunklen Brille zum Trotz sieht er Fanny, die sich in der Aufführung «Die Fee und der Ritter» in sein Herz tanzt, gestochen scharf. Sichtlich entbrannt für die reizende Ballerina sendet er ihr zum Neujahr ihre Lieblingsblüten, kostbare Kamelien aus seinem eigenen Treibhaus, wo die schönsten von Wien auch im Winter duften. Als es am 4.?Januar 1830 zum ersten Rendezvous im Hause des Grafen kommt, verwandelt sich der lebenssatte Weltmann und einflussreiche Politiker, der geschickt am Netzwerk der habsburgischen und europäischen Beziehungen mitknüpft, in einen innigen Verehrer, der in Fannys Gegenwart und in den Gedanken an sie wie Butter an der Sonne schmilzt: «Eine Stunde lang Sie stillschweigend anzusehen – es gibt keinen höheren Genuss für mich.»
Ich trage dein Herz, ich trage es in meinem Herzen
Fanny, bisher nur von hohlen Dummschwätzern umschwärmt, ist von der Bildung, der Lebensart und vom persönlichen Charme des schreib- und redegewandten Diplomaten fasziniert. Zuerst schmeichelt ihr sein Interesse, bald aber brennt auch sie lichterloh, und zwischen dem ungleichen Paar erblüht das Wunder einer tiefen, gegenseitigen Zuneigung, die innert weniger Wochen zu einer grossen Liebe reift. Friedrich von Gentz überhäuft sie mit Geschenken, unterrichtet sie in Französisch und Deutsch und bringt Bekannte aus Literatur, Kunst, Wissenschaft und Politik mit, die ihren Horizont erweitern sollen. Seine Verbindung soll ihre Karriere fördern und ihre Zukunft sichern. Er macht sie salonfähig für die Bühnen der Welt, sie dankt es ihm mit ehrlicher und tiefer Zuneigung, wie zahlreiche noch erhaltene Briefe bezeugen. Während Fannys Stern immer heller zu leuchten beginnt, erlischt derjenige von Friedrich von Gentz langsam. Mit zärtlicher Sorgfalt pflegt Fanny ihren Geliebten, bis Friedrich von Gentz am 9.?Juni 1832 seine letzte Reise antritt.
«Wir sahen ihn sanft entschlummern beim Klang einer Stimme, die ihn den Ruf der Zeit vergessen liess?…», François-René de Châteaubriand ist bei ihm, als Gentz drei Minuten vor seinem Tod noch zitternd den geliebten Namen «Fanny» auf ein Blatt schreibt.
»?Inspiriert aus dem Buch «Die grosse Liebe» von Hans A. Jenny.
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