
4×4 forever
- 8. Oktober 2012
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Offroad-artige SUV erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Doch wie ist diese Fahrzeuggattung einst entstanden? Ein Abstecher zu den ersten Allradautos Die Geschichte des Allradantriebs ist so alt wie das Automobil. Von Anfang an hat es Bemühungen gegeben, die Motorkraft auf alle Räder zu verteilen. Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen versprach das Prinzip eine höhere Endgeschwindigkeit. Andererseits – und das war vor allem eine militärische Forderung – verbesserte es die Traktion und machte damit ausgestattete Fahrzeuge unabhängig von befestigten Wegen und Strassen. So verwundert es nicht, dass die meisten dieser frühen Entwicklungen im Auftrag nationaler Streitkräfte entstanden.
Wie alles begann
Grundsätzlich muss man zwischen Allrad- und Geländewagen unterscheiden. Wir stellen hier – ohne die Geschichte der Allradlastwagen zu berücksichtigen – wegweisende Konstruktionen vor, die bei der Entwicklung der Allradtechnik eine Rolle gespielt haben.Das erste Patent für einen mechanischen Allradantrieb datiert von 1898. Sein Erfinder hiess Robert E. Twyford und stammte aus Pittsburgh, Pennsylvania. Allerdings setzte er seine Theorien erst 1905 in die Praxis um. Die Ehre, das erste Auto mit permanentem Vierradantrieb gewesen zu sein, gebührt deshalb dem Spyker 60/80 HP aus Holland, der auf dem Pariser Salon im Dezember 1903 vorgestellt wurde. Als Rennwagen war er von Joseph Laviolette konstruiert worden und hatte einen 8,7 Liter grossen Reihensechszylinder-Motor. Dessen Kraft wurde per Dreiganggetriebe, Zentraldifferenzial und Kardanwellen auf beide Achsen übertragen. Damit ausgestattet, vermochten sich die Vorderräder in Kurven schneller zu drehen als die Hinterräder. Zwar verdankte der 60/80 HP dieser Technik den nötigen Traktionsvorteil. Allein die Standfestigkeit damaliger Materialien zeigte sich dem fortschrittlichen Prinzip nicht gewachsen. So wurde die bemerkenswerte Konstruktion im Februar 1904 nochmals auf der Crystal Palace Motor Show in London gezeigt, blieb aber ein Einzelstück. Anschliessend sind etwa ein Dutzend Vierzylindermodelle namens 28/32 HP mit Allradantrieb, aber ohne Zwischendifferenzial gebaut und ausgeliefert worden – keines überlebte.
Die Geburtsstunde des Allradantriebs
Unterdessen machte der Allradantrieb weitere Fortschritte: 1908 liess sich Otto Zachow aus Clintonville, Wisconsin, einen lenkbaren Vorderradantrieb patentieren, den er zusammen mit seinem Schwager William Besserdich entwickelt und in seinen selbst konstruierten Geländewagen eingebaut hatte. Von diesem Fahrzeug abgeleitet, erschien 1911 eine weiterentwickelte Version unter der Firmenbezeichnung FWD (Four Wheel Drive). Schon 1912 präsentierte das Unternehmen einen ersten 4×4-Lkw, der bei der Armee auf starkes Interesse stiess. Dieser Frontlenker-Lastwagen sei deshalb erwähnt, weil er zwischen 1914 und 1928 in beachtlichen Stückzahlen – Quellen sprechen von mehr als 40.000 Einheiten – gebaut worden und damit das erste in Grossserie produzierte Allradfahrzeug gewesen sein soll. Einige Exemplare gelangten nach Europa und wurden anschliessend von englischen Lizenznehmern nachgebaut. Gleichzeitig wuchs das Interesse an handlichen, leichteren Geländewagen. 1923 bauten die Amerikaner ein experimentelles Ford-T-Modell mit Allradantrieb und riesigen Ballonreifen, dessen Offroad-Fähigkeiten befriedigend gewesen sein sollen. Allerdings blieben Leistung und Zuladung noch weit hinter den Erwartungen zurück.
Zu den grössten Herausforderungen aller Vierradkonstrukteure zählte stets, das Verspannen des Antriebsstrangs auf festem Untergrund zu verhindern: Ähnlich wie die kurveninneren und -äusseren legen die vorderen Räder in Kurven einen längeren Weg zurück als die Hinterräder. Es ist deshalb notwendig, den Kraftschluss beider Achsen voneinander zu trennen, um Beschädigungen zu vermeiden und den Verschleiss auf ein Minimum zu reduzieren. Als klassische und einfachste Lösung gilt hier der zuschaltbare Vorderradantrieb, mit dem auch das erste in Serie hergestellte Geländeauto ausgestattet worden sein soll: Es hiess Black Medal Scout Car und erschien 1935 bei dem japanischen Hersteller Kurogane. Ausgestattet mit einem vorne liegenden V-Zweizylinder-Motorradmotor, Einzelradaufhängung und einer offenen Karosserie, konnte es fünf Personen befördern. Die meisten der 4800 bis 1940 produzierten Exemplare wurden vom Militär eingesetzt.
Mit allradtechnisch unkonventionellen, aber höchst effektiven Lösungen konnte der 1935 vom Hamburger Nutzfahrzeughersteller Tempo vorgestellte G1200 aufwarten. Er hatte zwei 600 ccm grosse, 19 PS starke Zweitaktmotoren mit angeflanschten Getrieben, die jeweils Vorder- und Hinterräder antrieben, am tragenden Zentralrohrrahmen befestigt waren und die Möglichkeit boten, entweder mit Front-, Heck- oder Allradantrieb zu fahren. Ausserdem verhalf eine (an der Hinterachse abschaltbare) Allradlenkung dem G1200 zu erstaunlicher Wendigkeit und einem Wendekreis von nur sieben Metern. Nicht zuletzt durch seine patentierte und dreifach gefederte Einzelradaufhängung vorne und hinten konnte der Tempo viele Geländeveranstaltungen für sich entscheiden. Er wird zu Recht als der überlegenste leichte Allradler der 1930er-Jahre bezeichnet. Zwischen 1936 und 1944 entstanden 1335 Exemplare, die unter anderem nach Australien, Brasilien, Chile und in den Irak exportiert wurden. Allein 985 Stück lieferte Tempo bis 1944 an die schwedische Armee. Die Wehrmacht setzte den G1200 nicht ein – weil er ein Zweitakter war. An die Front mussten dagegen die Horch-Geländewagen 901 (1935 bis 1942) und 108 (1937 bis 1942), der Mercedes-Benz G 5 von 1937 sowie die ab 1936 gebauten Stoewer-Modelle R 180 und 200 Spezial: Sie wurden jeweils von Vier-, Sechs- oder Achtzylinder-Benzinmotoren angetrieben, waren etwa vier Meter lang und verfügten über Allradlenkung, Fünfganggetriebe und drei Sperrdifferenziale.
Auch vom 1938 vorgestellten Volkswagen hat es mehrere Allradvarianten gegeben. Neben den vierradgetriebenen Schwimmwagen-Typen 128 und 166 erschien 1941 ein hoch gelegter, auf grobstolligen Reifen stehender Kommandeurswagen mit der berühmten Käfer-Karosserie, der Typ 87. Als Motor diente der bekannte 1,1-Liter-Boxer mit 25 PS, dessen Kraft auf beide Achsen – jeweils mit Sperrdifferenzial – übertragen werden konnte (wobei sich der Vorderradantrieb über einen Geländegang zuschalten liess). Zusammen mit anderen VW-Allradderivaten entstanden vom Kommandeurswagen bis 1945 cirka 600 Einheiten; nach dem Krieg baute Volkswagen noch zwei weitere 87er im Auftrag der britischen Besatzungsmacht.
Happy Birthday Unimog
In der Liste früher Geländewagen darf ein Meilenstein der Allradtechnik nicht fehlen, der 2012 seinen 65. Geburtstag feiert. Die Rede ist vom Universalmotorgerät, kurz: Unimog. Bereits während des Krieges war es von Flugzeugkonstrukteur Albert Friedrich im Auftrag der Gold- und Silberwarenfabrik Ehrhard+Söhne in Schwäbisch Gmünd entwickelt worden. Im März 1946 entstand dort ein erster Prototyp, der 13 Monate später Experten der Landtechnik vorgeführt und im August 1948 in Frankfurt erstmals öffentlich gezeigt wurde. Das Prinzip des Unimog war ebenso einfach wie zweckmässig: Angetrieben wurde die erste Serienversion von einem Mercedes-Vierzylinder-Dieselmotor mit 25 PS, über dem sich eine enge zweisitzige Kabine mit Stoffverdeck befand. Dank seinem kurzen Radstand, der hohen Bodenfreiheit, einem Sechsganggetriebe mit zwei Rückwärtsgängen plus zweistufigem Untersetzungsgetriebe und dem zuschaltbaren Allradantrieb mit Differenzialsperren vorn und hinten übertraf seine Geländegängigkeit alles bisher Dagewesene. Mehrere Geräteanschluss- und Aufbaumöglichkeiten sowie die beachtliche Nutzlast von einer Tonne machten ihn zu einem Alleskönner. Aus diesen und steuerlichen Gründen stufte man ihn zunächst als Ackerschlepper ein. Hergestellt wurde der Unimog ab Herbst 1948 von der Maschinenfabrik Gebrüder Boehringer in Göppingen. Aufgrund mangelnder Fertigungskapazitäten übernahm das Mercedes-Benz-Werk im badischen Gaggenau 1951 die Produktion. Dort sind über 320.000 Exemplare gebaut worden, bevor man die Produktion Mitte August 2002 nach Wörth am Rhein verlagerte.
Jeeps auf dem Vormarsch
Die Impulse für die Geländewagen-Evolution kamen also aus der ganzen Welt – der Allradantrieb ist keineswegs eine Erfindung der Amerikaner, wie oft behauptet wird. Aber sie haben seine Entwicklung am konsequentesten betrieben, und die gemeinsamen Anstrengungen der amerikanischen Automobilindustrie gipfelten schliesslich im 1941 lancierten Jeep. Initiiert wurde er durch eine Ausschreibung des amerikanischen Generalstabs in Camp Hollabird, Maryland. Dort forderte man ein Allzweckfahrzeug mit Vierradantrieb. Am 5.?Juli 1940 wurden die entsprechenden Konstruktionsvorgaben für einen Four-Wheel-Drive-Quarter-Ton-Truck an 135 potenzielle Hersteller geschickt. Obwohl sich viele Adressaten für den lukrativen Auftrag interessierten, schaffte es nur die American Bantam Car Company aus Butler, Pennsylvania, fristgerecht zum 23. September einen Prototyp abzuliefern. Dieser von Chefkonstrukteur Karl Probst entwickelte und Bantam Reconnaissance Command HP40 genannte Geländewagen begeisterte die Militärs, weshalb sich zwei weitere Unternehmen, Willys Overland aus Toledo, Ohio, und Ford in Detroit, konstruktiv am Bantam-Entwurf orientierten. Weil Bantam nicht in der Lage war, die geforderte Stückzahl schnell und günstig zu produzieren, verlangte der Generalstab von Ford und Willys, sich für eines ihrer Modelle zu entscheiden und es gemeinsam herzustellen. Die Wahl fiel auf den Willys, die bei Ford montierten Exemplare unterschieden sich nur in wenigen optischen Details von den Modellen aus Ohio. Die offene Stahlkarosserie des nun Jeep genannten Fahrzeugs („GP“– gesprochen dschie-pie – steht für General Purpose) ruhte auf einem robusten Leiterrahmen und blattgefederten Starrachsen. Für die Kraftübertragung sorgte ein Dreigang-, Verteiler- und zusätzliches Reduktionsgetriebe; der Vorderradantrieb war zuschaltbar. Unter der Haube befand sich ein seitengesteuerter 2,2-Liter-Reihenvierzylindermotor mit 61 PS, der aus dem Whippet, einem früheren Willys-Modell, stammte und den Jeep auf knapp 100 km/h beschleunigte.
Dank zuverlässiger Technik und seinem Dienst bei den alliierten Streitkräften wurde der Jeep weltbekannt und diente vielen späteren Entwicklungen als Vorbild. In Europa war der Land Rover nicht weniger erfolgreich, doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Zwar hat man später auch ihn militärisch eingesetzt, doch erdacht und konstruiert wurde er für zivile Zwecke, als der Jeep seinen Produktionshöhepunkt bereits hinter sich hatte. Zwischen 1941 und 1945 entstanden 650.000 Jeep, nie wieder sollte diese Menge in so kurzer Zeit erreicht werden. Der Siegeszug des Ur-Land-Rover fand dagegen zu Friedenszeiten statt – über zwei Millionen Exemplare des «Defender», wie er seit 1989 heisst, sind inzwischen gebaut worden.
Bilder: Werk, Collection W. Oude-Weernink